Am Mittwoch, den 8. Januar 2014, veröffentlichte Werner Bartens in der SZ (Nr. 5, S. 14, Sparte Wissen) seinen Text: Mehr Qualität, weniger Müll! 85 Prozent der medizinischen Studien sind unnötig. Die klinische Forschung produziert zu viel Redundanz und Schrott. Dabei wird nicht nur Geld verschleudert, sondern es werden auch Patienten geschädigt. Ein Notruf. Wie kommen 85 Prozent zustande? Werner Bartens referiert Iain Chalmers' und Paul Glaszious Text aus der Zeitschrift Lancet: "So würden die falschen Fragen gestellt, Untersuchungen mit untauglichem Studiendesign geplant, Daten nicht richtig ausgewertet oder Ergebnisse nicht zugänglich gemacht. Nicht einzelne schlampige Wissenschaftler seien daran Schuld, der Fehler liege vielmehr im System".
Der Hinweis auf das System ist relevant. Offenbar ist der Wissenschaftsbetrieb gemeint. Wissenschaft ist ein Unternehmen, bei dem es auch um Politik und Macht geht - also darum, mit zügiger Forschung das eigene Fach durchzusetzen und andere Fächer oder Konzeptionen zu verdrängen, um die eigene Position zu sichern. Deshalb wird viel und schnell untersucht, korreliert, publiziert - ohne sich Zeit für eine theoretisch ausreichend begründete Konzeption zu lassen. Wer schreibt, der bleibt, das kennen wir. So funktioniert auch Forschung. Bis das Geschriebene gründlich geprüft wird. Von den Fachleuten - und den journalistischen Übersetzern. Sie müssen zum System hinzugezählt werden. Sie liefern das Echo und geben den Wissenschaftlern, die mit Aplomb auftreten, den Raum, in dem sie ihren wissenschaftlichen Imperialismus herausdröhnen können. Die Leute der SZ, wie hier mehrfach beschrieben, sind nicht frei von Nachlässigkeit - von schlechten Übersetzungen. Aber wie das in Redaktionen und in anderen kollegialen Gruppierungen so ist: die Qualität der Arbeit variiert. Das Theater um die Neurowissenschaften - worin besteht deren wissenschaftlicher Status? - ist es ein gutes Beispiel. Das Theater um die Ernährungswissenschaften - worin besteht deren wissenschaftlicher Status? - ein anderes Beispiel. Die eigene Erfahrung und das eigene Verständnis für Plausibilität sind gute Orientierungen für die eigene Skepsis. Wie wir unser Leben leben wollen, müssen wir entscheiden. Diese Entscheidung können wir dem, was sich als Wissenschaft geriert, nicht abnehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen