Montag, 5. Januar 2015

Die Rede der Kanzlerin am und zum 31.12.2014

"Heute rufen manche: 'Wir sind das Volk!'", sagte unsere Bundeskanzlerin in ihrer am und zum 31.12.2014 ausgestrahlten Rede, "aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht zu uns wegen eurer Hautfarbe oder Religion". Ist das so? Kann man den Ruf so übersetzen? Ich war nicht in Dresden. Ich habe nur das gesehen und aufgenommen, was Panorama und Tagesthemen sendeten: die Klage einer tiefen Unzufriedenheit. Ein Stichwort: Lügenpresse. Die Verweigerung eines Dialogs mit einer Fernseh-Frau oder einem Fernseh-Mann. Es ist die Klage des Rückzugs - des Gefühls, den Anschluss verloren zu haben. "Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen. Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja sogar Hass in deren Herzen".

Du meine Güte: Hass! Hass im Herzen. Man müsste den Hass kennen und wem er gilt. Viele sind offenbar nicht einverstanden mit ihrem Platz in unserer Republik: sie fühlen sich draußen und wüten. Schwer erträglich finde ich das Unverständnis der Bundeskanzlerin. Hass ist ein unangenehmer Affekt; er sorgt für laute Töne. Aber man kann ihn doch anhören und zu verstehen suchen. Schwer erträglich finde ich die Verachtung für die Bürgerinnen und Bürger, die (vielleicht - wir wissen es nicht) ihren Unmut, ihre Hilflosigkeit, ihre Verzweiflung und Beunruhigung  nicht anders als mit einer Art von Sprachlosigkeit aussprechen können. "Solche Demonstrationen" - ohne ihren Namen zu nennen und ohne ihren demokratisch gemeinten Impuls des Sprechens in der Öffentlichkeit anzuerkennen - sind für die Bundeskanzlerin unwillkommene Kommunikationen. Solche. Das Demonstrativpronomen des Abscheus. Mit solchen Leuten treibst du dich nicht herum. Die Bundeskanzlerin adressiert nicht das bundesdeutsche Volk, dem zu dienen sie sich verpflichtet hat; sie adressiert die, die ihren Standpunkt teilen. Angela Merkel sucht ihre Mehrheiten; sie treibt Parteien-, nicht Bundespolitik. Sie beitreibt ihr Geschäft des Machterhalts. In wessen Namen? In wessen Interesse? Das Geschäft findet wenig deutlichen (öffentlichen) Widerspruch. Erstaunlich. Oder ist es nicht erstaunlich, weil uns die Herren des Geschäfts so vertraut sind und weil das Interesse am Geschäft näher liegt als das Interesse an den Idealen unserer Demokratie?

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