Mittwoch, 13. Mai 2020

Wenn ein Fachmann Stuss quatscht: "Der Sport weiß mehr als die Virologie"

"Der Sport weiß mehr als die Virologie" lautet die Überschrift des Interviews, das Anno Hecker mit dem Sportmediziner Perikles Wolfgang David Wilhelm Simon für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (am 11.5.2020, S. 28, Nr. 109) führte. Simon ist nicht einverstanden mit den Einschränkungen unserer Lebensradien als grobem  Mittel der Infektionsreduktion. Er findet sie unangemessen und unklug. Darüber kann man natürlich heftig diskutieren.

Perikles Simon weiß, wie man Haken schlägt und davonkommt. Zwei Beispiele:
"Der Sport übt sich in vornehmer Zurückhaltung. Bewegungsmangel ist weltweit für rund neun Prozent der Todesfälle die Hauptursache. Mit mehr als fünf Millionen Toten jedes Jahr ist Bewegungsmangel der Sarg und Covid-19 ein spitzer, medienaffiner Sargnagel. Diesen wollten wir mit einem beherzten Lockdown mächtig lockern".

Was sagt er nun? Das Festhocken wegen der Corona-Pandemie ist tödlich? Wieso ist der Covid-19 ein spitzer, medienaffiner Sargnagel? Nägel sind meistens spitz. Medienaffin? Klar doch: die Wege der Infektion sind schwer zu übersehen und zu kontrollieren. Die Beunruhigung ist enorm. Die öffentliche Diskussion greift das auf - mit besonnenen wie lauten und robusten Strategien des Anti-Geschäfts und des Geschäfts. Ist das nicht verständlich? Das Virus: ein Sargnagel? Die Bilder taumeln. Die Argumente wackeln. Bewegungsmangel ist keine Krankheit, sondern das Produkt unserer Lebensformen. Dazu kursiert ein beschwichtigendes Stichwort: Zivilisationskrankheiten. Meint er das? Wie kommt er auf fünf Millionen Tote? Vielleicht bewegen wir uns auch zuviel? Nicht nur (fantasierend/tagträumend) auf der Couch, sondern auch im Automobil oder im Flugzeug. Jetzt werden wir zur Inventur und Revision unserer Lebensformen gewissermaßen mit besonderem Nachdruck angeregt; seit fünf Jahrzehnten stehen diese Forderungen auf der Tagesordnung. Perikles Simon offeriert kalten Kaffee (ich möglicherweise auch).

Zweites Beispiel:
"Wir mögen das Beste wollen, wenn wir uns neuerdings für virologische Messgrößen begeistern, nur haben wir auch die anderen Menschen noch ausreichend im Blick? Die liberalen Schweden leben noch, und zwar ohne den prognostizierten Zusammenbruch ihres Gesundheitssytems. Verstehen zu wollen, warum dies der Fall ist, mag bessere Handlungsanweise generieren, als auf Spekulation von Virologen und Epidemiologen einzugehen. (....) Vorrangig die Regierungen demokratischer Länder haben aus dem Meer an Zahlen schnell diejenigen gefischt, die als Handlungsgrundlage für Ausnahmezustände herhalten. Das will ich hier nicht kritisieren, denn es mag für die wenigen Menschen, die entscheiden mussten, alternativlos gewesen sein. Weit wichtiger ist, dass wir alle bei dieser Vorgehensweise bleiben möchten".

Er will nicht kritisieren, wie er sagt, aber er ärgert sich mächtig. Worüber? Dass auf einmal die Spekulation von Virologen und Epidemiologen zählt. Wo er doch so viel mehr weiß. Allerdings hat er die Prinzpien von Wissenschaftlichkeit nicht verstanden. Ärgerlich und jammerschade, dass der Journalist von der Zeitung für die klugen Köpfe ihn entwischen ließ.
   

Dienstag, 5. Mai 2020

Der historische Augenblick: Traut sich unsere Regierung, am Dienstag, dem 5.5.2020, der Automobilindustrie zu widersprechen? Nein. Vertagt.

Unsere Bundesregierung trifft heute mit den Vertretern der Automobil-Branche zusammen. Die Branche verlangt ihr Zubrot. Dafür wurde schon reichlich getrommelt (s. mein Blog Tagesthemen am 27.4.2020). Sie hat ein Interesse und eine Idee: wieder Millionen Autos zu bauen. Muss das sein? Bevor Geld ausgegeben wird, muss darüber gestritten werden. Ob sich unsere Bundesregierung traut? Nach fünf Jahrzehnten des Kotaus?  Carl Martin Welcker, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagebau, widerspricht - nicht im Sinne der Transformation unseres Systems der Mobilität, sondern im Sinne der Markt-Konkurrenz :

"Wir sollten nicht einzelne Branchen  herauspicken. Der Konsument sollte entscheiden. Und wenn er sich für einen neuen Kühlschrank entscheidet oder eine neue Heizung oder die Abdichtung  eines Fensters, dann hat das eine eben solche Berechtigung wie der Kauf eines Autos" (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.5.2020, S. 15, Nr. 104: Autoprämie spaltet Politik und Wirtschaft).

Von einer Spaltung ist nichts zu lesen. Welcker ist gegen die Exklusivität der vierrädrigen Kutschen. Ob die Leute von der Zeitung Ungemach für ihre Anzeigenkunden fürchten? Wir werden sehen, was unsere Regierung entscheidet.

Sie hat sich vertagt und versprochen, im Juni ein Konzept für alle Branchen vorzulegen.