Donnerstag, 17. Dezember 2020

Das Gutachten in der Schublade

Wenn es stimmt, was der W.D.R-Journalist Stefan Lauscher heute Morgen (17.10.2020) im Hörfunk sagte - dass ein Gutachten, dass die Zerstörung von fünf Ortschaften und deren Ersetzung im Nirgendwo einer Nachbarschaft, die der Kohleabbau nicht mehr ausraubt, für unnötig erklärte, von dem zuständigen Ministerium und der Landesregierung (auch der Bundesregierung?) zurückgehalten wurde, überrascht mich das - nicht. Es passt ins Klischee von den unredlichen, das Geschäft laufen lassenden Regierungen und es passt zur hier & da bekannt gewordenen Praxis großer & kleiner  korrupter Politiken, nur das zur Öffentlichen Diskussion zuzulassen, was zu den politischen Absichten passt. Es passt zur strukturellen Korruption der Bundesrepublik, die damit begann, dass die nationalsozialistisch kontaminierten und korrupten Eliten Ämter und Aufgaben übernehmen konnten, was noch immer als eine Art respektabler Integrationsleistung in unserer Geschichtsschreibung hier & da durchgeht: die Lebenslüge der Bundesrepublik Deutschland.

Andererseits: korrupte Lebenspraxis - hier & da ein Nachgeben strenger Moral - ist Lebenspraxis. Wer in Köln sozialisiert wurde, versteht das. Man muss wissen, was man tut, und sich nicht in die Tasche lügen. Unser Strafgesetzbuch zieht die Grenze zwischen dem tolerablen und dem intolerablen Klüngel. Solange eine strafrechtlich relevante Korruption aufgeklärt und gerichtlich verfolgt wird, ist es gut. Die Empörung über eine korrupte Praxis ist wohlfeil und zu wenig; ihre Aufklärung zählt. Die Differenz zwischen dem Klischee des (grundsätzlichen) Verdachts korrupter Lebenspraxis und der Feststellung einer korrupten Praxis ist lebensnotwendig. Warten wir ab.


(Überarbeitung: 16.12.2020)

 

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Hart, aber großpratzig - am 14.12.2020

Am Montag, dem 14. Dezember 2020, ging es in Hart, aber fair unter anderem um die Frage, weshalb wir in der EU hinter Großbritannien und den Vereinigten Staaten hinterherhinken - wo doch deutsche Wissenschaftler  den Impfstoff entwickelt haben. Warum müssen wir warten?  Und wie kann man das Warten abkürzen?

Ungeduld macht unzivilisiert und unbeweglich. Der Gedanke an den Einsatz der Ellbogen verengt. Frank Plasberg besann sich aufs Abwerten und Anrempeln:

"In Brüssel  (Sitz der Zulassungsbehörde) werden doch keine neuen Versuchsreihen gemacht - sondern man liest Papier. Das heißt, man könnte auch entweder einen Kaffee-Automaten hinschicken, damit man auch nachts noch etwas lesen kann, oder beim Lesen helfen". 

Man liest Papier. Diese unfreundliche Bemerkung adressierte Frank Plasberg an Susanne Valerie Herold, die Infektiologin, Oberärztin und Professorin aus Gießen. Was ist schon Wissenschaft? Dagegen küsste Frank Plasberg auf robuste Weise dem niedersächsischen Ministerpräsidenten die Füße:

"Herr Weil, Sie gelten als ebenso zupackender wie kluger Ministerpräsident - ja, das ist jetzt eine Rampe", räumte der WDR-Journalist generös ein und ging ihn an, "könnten Sie mal aus dem Nähkästchen plaudern..." Das tat der Ministerpräsident gern; denn er war sich mit dem TV-Mann einig. Tatsächlich, sagte er, versuchen Kanzlerin und Gesundheitsminister das Zulassungsverfahren  in Brüssel zu beschleunigen. Eine Männer-Koalition fand sich zusammen, die die Medizinerin in die Defensive bugsierte: Frank Plasberg, Stephan-Peter Weil und Werner Bartens von der Süddeutschen Zeitung....drei Männer gegen eine Frau, der kein Raum gelassen wurde, das Zulassungsverfahren eines Impfstoffs zu erläutern. Ein jugendliches Männer-Vergnügen.... Der harte, aber faire Moderator vergaß das Ideal seiner Sendung. Aufwendige wissenschaftliche Studien lassen sich geschwind durchsehen, lautete seine Wissenschafts-feindliche Botschaft. Wahrscheinlich hat Herr Plasberg noch nie eine anspruchsvolle Forschungsarbeit vorgelegt. Der Fernseh-Mann dachte zu sehr ans Fernsehen. 

 

Montag, 14. Dezember 2020

Hart, härter, halbherzig - unser pandemisches Sich-Zieren

Es fängt mit der Formel an: leichter oder harter Lockdown, härterer Lockdown. Wer diese Formel ausspricht, dem sieht man das Zieren und schlechte Gewissen an: was er oder sie einem zumutet...und wie er oder sie sich scheut. Das Durchsetzen eines Lockdowns gefällt ihm oder ihr nicht. Mich erinnert das an das gut 40 Jahre alte Zögern & Zieren angesichts der mächtigen Empörung über die Gurt- und Anlegepflicht. Nun ist, keine Frage, der Eingriff in Sachen pandemischer Begrenzung eine andere Geschichte: lähmend und niederdrückend.

Dann die Vokabel Lockdown. Wer hat sie bei uns eingeführt ? In den U.S.A. wird sie seit dem 14.12.2012 gebraucht, als sich die Schüler in ihrer Schule einschlossen, um sich vor der Mord-Absicht eines schwer bewaffneten Mannes zu schützen. Kann sein, dass die Vokabel schon früher benutzt wurde; ich habe nur grob im Archiv der New York Times nachgeschaut. Der Lockdown ist eine zum shutdown analoge Wortschöpfung. Der shutdown bedeutet: das komplette Abschließen eines Hauses, wenn man in Ferien fährt, oder das Herunterfahren einer industriellen Anlage, die dann nix mehr herstellt. Die Franzosen sagen übrigens: confinement - da ist das Einklicken eines Schlosses nicht mehr zu hören.

Gehen wir weiter. Das Reden von der Kontakt-Beschränkung ist ungenau. Kontakte sind nicht das die Infektion treibende Problem, sondern die Qualität der ihnen zugrunde liegenden Beziehungen, die im Umgang mit der Pandemie anders gestaltet werden müssen: sie müssen verfremdet werden im Dienste des Verdachts dem Bekannten oder Vertrauten gegenüber... was bedeutet: man muss sich anstrengen, sich einen Ruck geben, sich überwinden, dem oder der Anderen zu signalisieren: ich will mich vor Dir schützen, indem ich eine Distanz einnehme und meine Maske hervorkrame. Es geht um Loyalität und Verpflichtungen von Beziehungen. Wieso sagt das keiner?

Gestern, in der Rede-Runde Anne Will, am 13.12.2020, hörte ich unseren (nordrhein-westfälischen) Ministerpräsidenten Armin Laschet zum ersten Mal von einer Begegnung sprechen. Begegnung! Wunderbar! Sie ist das richtige Wort, das die Beziehungsarbeit betont. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass vor allem in den privaten Kontexten die Infektionen angetrieben werden. 

Das Infektionsgeschehen ist diffus, heißt es. Diffus ist lateinischer Herkunft und bedeutet: ausgebreitet. Diffus ist eine unklare Beschreibung: man weiß es nicht besser. Diffus ist Ausdruck der Not, dass ein Viertel der Infektionsketten nur nachverfolgt werden konnte - wahrscheinlich sind es heute (am 14.12.2020) noch weniger. Die Unkenntnis ist also enorm. Sie diffus zu nennen, ist nett. Früher, in den 50er oder 60er Jahren, wurde die Unkenntnis mit der Formel (hochherrschaftlich) überspielt: da bin ich überfragt. Weshalb die Physikerin - tatsächlich, eine Physikerin - Viola Priesemann seit dem Sommer x-mal empfohlen hat, mit einer weiteren Beziehungseinschränkung die Infektionszahlen so weit zu drücken, dass sie: künftig nachverfolgt werden können. Das ist ihr nüchterner Sinn (den man nicht rührselig zu beschwören braucht): zu wissen, wo die Infektionen stattfanden, so dass die grobe, undifferenzierte Intervention des so schön klingenden, aber sehr weitreichenden Lockdowns unnötig ist. 

Weshalb ist das so schwer, unserer Öffentlichkeit mitzuteilen, so dass es (fast) allen einleuchtet? Die Antwort kann man sich am Gedöns um die Anlegepflicht klarmachen. Sie war eine Einschränkung des Vergnügens am seligen Chauffieren des eigenen Automobils. Einschränkungen durchzusetzen ist schwierig. Da können wir alle ein lebenslanges Lied von singen. Wer lässt sich schon gern etwas sagen? Weshalb sich die bundesdeutschen Regierungen bislang nicht getraut haben, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen durchzusetzen. Angela Merkel, die ja immer im Wahlkampf ist, wie sie mehrfach sagte, scheut sich deshalb enorm; weshalb sie jetzt mit ihrer ganze Armlänge rudert und beteuert, wie wichtig diese in Zeiten der Covid-Pandemie  notwendige Beziehungseinschränkung ist. Während Viola Priesemann unter ihren Wiederholungen in dieser oder jener Rede-Runde ächzt und sich, wie man so schön sagt, den Mund fusselig redet. Man kann nur hoffen, dass ihr dieses Mal wirklich zugehört wird. 


(Überarbeitung: 17.12.2020)

     

Freitag, 11. Dezember 2020

Sofort! Sofort! Sofort!

Die Redaktion der Tagesthemen ist im allgemeinen gut eingestimmt auf die affektiven Bewegungen der Öffentlichen Diskussion, weshalb ich sie (fast) regelmäßig abends einschalte. Gestern, am 10.12.2020, begannen sie mit einem Bericht über die alarmierende Überlastung einer Intensivstation  der Berliner Charité mit der Versorgung sehr gefährdeter, an Covid 19-erkrankter Patienten.  Heyo Kroemer, der Chefarzt der Abteilung, war von Caren Miosga um eine Auskunft gebeten worden. "Wir sind an der Grenze des Machbaren", sagte er, "insofern ist aus unserer Sicht (der Leopoldina-Gruppe) jeder Tag, an dem wir nicht aktiv werden, ein Tag, der erheblich zu der Problematik beiträgt. Ich hatte gesagt, sie ist beherrschbar, aber sie ist an der Grenze der Beherrschbarkeit". Caren Miosga: "Es wäre also gut, das Leben vor Weihnachten noch weiter runter zu fahren?" - "Ich würde es nicht mit dem Wort gut verbinden", antwortet Heyo Kroemer, "es ist meines Erachtens unbedingt notwendig zu reagieren...." Mit dem Hinweis auf den kommenden Sonntag, an dem die Regierungsspitzen sich erneut abstimmen wollen, und dem Dank an ihn, beendete Caren Miosga den Austausch.

Warum sagten sagen beide nicht: Sofort! Sofort! Sofort!?? Christian Drosten wurde in seinem Dienstags-Podcast deutlich: Es gebe derzeit eine Stimmung in der Öffentlichkeit, vor der er und seine Kolleginnen und Kollegen in Deckung gehen möchten, weil sie sich nicht mehr richtig zu sagen trauten, was ist; auch er hoffe, dass die  aversiv gestimmte Öffentlichkeit nach seinem Podcast nicht wieder über ihn herfällt....Das Wort sofort ging Heyo Kroemer nicht über die Lippen. Und Caren Miosga sprach nicht für ihn die Dinglichkeit des Sofort! aus.  

Die falsche Zurückhaltung der A.R.D.  trägt zur Klärung nicht bei. Die unsystematische Konfrontation sachunkundigen, aber polemischen Getöses in Kurzbefragungen der Tagesschau oder in  den wöchentlichen Rederunden, die Wahrhaftigkeit versprechen, aber mit Krawall sympathisieren, helfen wenig.  Beschwichtigungen mit falschen Versprechungen und unrealistischen Hoffnungen sind (politisch) kostspielig. Die großmütterlichen Appelle, garniert mit einer lauen, flauen Werbung für eine schlecht verstandene Wissenschaftlichkeit sprechen die Not der Hilflosigkeit unserer Kanzlerin aus, den auf das Wohl des deutschen Volkes geleisteten Eid nicht mehr richtig erfüllen zu können; sie hängt fest in dem Netz ihrer Verpflichtungen, die Machtverhältnisse zu erhalten, was  es ihr schwer macht, uns den sprichwörtlichen reinen Wein einzuschenken: Die Normalität kehrt nicht wieder; die Impfung ist ein riesiges Projekt und Experiment; sie wird Jahre brauchen; die Folgen der Pandemie sind immens; exorbitant sind die nationalen wie internationalen Folgekosten der Erderwärmung.



 

Freitag, 4. Dezember 2020

Wer hat Angst vor der AhhEffDee? Caren Miosgas Lähmung in den Tagesthemen am 26.11.2020, als sie Alice Weidel zu konfrontieren versuchte

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der Patei, die nicht weiß was sie will,  ist die Politikerin der schrillen Empörung über unsere undemokratischen Verhältnisse  - mit diesem Passepartout-Vorwurf überrascht sie hier & da ihr Publikum und macht es mal kirre, mal sprachlos, mal wütend. Am 22.11.2020 beklagte sie sich im Bundestag über ihre Rolle, nur Zaungast gewesen und von der Kungelrunde der Regierung ausgeschlossen worden zu sein. Das war ein hübscher Vorwurf aus sicherer Entfernung.  Die Redaktion der Tagesthemen präsentierte am Abend den parlamentarischen Beitrag von Alice Weigel und ließ Caren Miosga sie fragen:

"Was würden Sie tun, um noch mehr Tote und überlastete Kliniken zu verhindern?"

(Ja, dachte ich, eine präzise Frage. Was würde Alice Weidel tun?  Ich war gespannt.)

Alice Weidel antwortete teigig:

"Ja, da haben Sie schon recht". (Womit?) "Es sind schwierige Abwägungsfragen, die wir uns stellen müssen... und es geht vor allen Dingen....die Risikogruppen zu schützen. Und - wir halten - und daraus haben wir nie ein Geheimnis gemacht  -   den Lockdown oder die Methodik des Lockdowns für völlig falsch. Sie legen die Wirtschaft lahm. Sie bestrafen die Gastronomie, den Einzelhandel - also eigentlich auch die ... die Wirtschaftszweige, die alles richtig gemacht haben, die nicht wenig investiert haben, um Hygienekonzepte durchzusetzen - und gerade die Leute, obwohl sie alles richtig gemacht haben, werden abgestraft...."

Caren Miosga sprach in ihren Satz hinein und lenkte dagegen:

"... es ist ja in Deutschland kein totaler  Lockdown - und wir sehen ja, was in anderen Ländern passiert, in denen der Staat sich deutlicher zurückhält oder auch zu spät reagiert wie in den U.S.A. Da gibt es jetzt mehr als 250.000 Tote. Glauben Sie, dass so ein Staat seiner Verantwortung gerecht wird?"

Alice Weidel: "Sie müssen auf jeden Fall differenzieren. Und wir müssen uns Grundsatzpapiere anschauen "

Halten wir fest. Auf die Frage der Moderatorin, was Alice Weigel tun würde, antwortete Alice Weigel: Sie müssen auf jeden Fall differenzieren und anschauen.

Differenzieren und Anschauen sind nie schlecht. Aber was? Grundsatzpapiere. Damit war sie auf einer anderen Etage - davongelaufen. Schwer für Caren Miosga, Alice Weigel zu erreichen. Caren Miosga verlor bei dieser Art des Nachlaufens ihre Linie,  so dass sie nicht dazu kam, auf eine Antwort ihrer Frage zu bestehen nach dem Muster: "Frau Weigel, Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet". 

Caren Miosga richtete sich auf - als müsste sie den Vorwurf korrigieren und die Politik der Regierung verteidigen. Musste sie das? Nein. Jede aufgeweckte Zuschauerin und jeder aufgeweckte Zuschauer konnte sehen, wie Alice Weigel sich wand und auswich. Leider half Caren Miosga mit ihrem Schlenker zur U.S.-Politik Alice Weigel auf die Beine und brachte sie in die Spur ihrer routinierten Empörung zurück, mit der sie verdecken konnte, wie wenig sie auf der Pfanne hat. Die Hilfsbereitschaft der Moderatorin ist  die Folge ihrer  Scheu vor einem Clinch mit Alice Weigel, die davon lebt, dass sie einschüchtert mit ihrer akademischen Schminke (s. meinen Blog Aufruhr in Thüringen vom 14.2.2020).