Mittwoch, 18. September 2019

Künstliche Intelligenz: Bluff! Bluff! Bluff!

Das Vokabularium der Öffentlichen Diskussion wird leider nur sporadisch redigiert. Worte sind oft Ohrwürmer: klingen gut, täuschen ein Verständnis vor und verschmieren die Sachverhalte, die sie zu beschreiben vorgeben. Ein Beispiel ist der Klimaschutz, der es bis in eine Gesetzesvorlage geschafft hat. Künstliche Intelligenz ist ein anderes Wort, das mit dem Konzept der menschlichen Intelligenz Schindluder treibt. Ein Kleinkind kann für sein Spiel etwas erfinden. Eine Maschine kann das nicht: ihr muss alles gesagt werden, was sie machen soll, auch das, was sie mit dem Errechneten machen soll.  Jetzt sollen sie sogar lernen oder noch besser: tief lernen können. Vor ein paar Tagen habe ich diesen Satz aufgeschnappt:

"Cartica AI hingegen setzt auf Unsupervised Learning: Alogrithmen, die der Funktion des Gehirns nachempfunden sind" (Christian Müßgens: Conti kauft Künstliche Intelligenz für Roboterautos" in:
F.A.Z., 4.9.2019, S. 22, Nr. 205).

Die Formel der Funktion des Gehirns nachempfunden ist Bluff. Nachempfunden deutet eine Einschränkung der Menschen-Metapher an. Wie das Gehirn (auf neuronaler Basis) lernt, wissen wir nicht. Natürlich wissen wir, wie schnell Leute lernen, was sie lernen; wie sie ihr Gelerntes organisieren - Sinnloses ist äußerst schwer zu lernen; woran man interessiert ist, lernt man blitzschnell und jede Menge. Ivan Pavlow, Nobelpreisträger, der Erfinder des so genannten Konditionierens, das mehr eine Dressur und eine Quälerei als ein Lernvorgang ist - nachzulesen bei Erwin Straus' Vom Sinn der Sinne - , brauchte über 400 Versuche, bis einer seiner Hunde richtig - passend zu seinem Konzept des bedingten Reflexes -  den Speichel absonderte. So langsam lernt niemand. Bei diesem Tempo kämen wir mit unseren Entwicklungsaufgaben nicht durch.

Maschinen mit menschlichen Metaphern zu verlebendigen und zu propagieren, ist intellektuelle Schmuggelei und unredliche Aquisition von Forschungsgeldern.  Das Menschliche wird reduziert und verschwindet.  Der Mensch droht, wie eine Maschine gesehen zu werden. Er ist dann leicht zu reparieren.  

Donnerstag, 12. September 2019

Neues zum Fahrer-losen Autofahren: das Vergnügen an Schnapsideen - zur Heiligen Kuh (90)

Das Vergnügen an Schnapsideen ist weit verbreitet. Sie werden intensiv verfolgt, weil sie klotzige Geschäfte versprechen. Nehmen wir das Fahrer-lose Fahren. Milliarden werden in die Forschung gepumpt. Wieso? Das Geschäft muss gerettet werden: die Produktion und der Verkauf vieler Kutschen. Natürlich gibt es ein Argument der Beschwichtigung: ohne Kutscher fährt die Kutsche, weil die Kontrolle und die Steuerung riesige Rechner übernehmen, sicher, fehlerfrei und ohne Unfälle. Der hohe menschliche Preis erübrigt sich. Allerdings erst in Jahrzehnten; wenn die
Forschung einen Maschinen-Kutscher in die Kutsche setzen kann.

Wenn irgendwem etwas an der Reduktion der Unfälle und des vielen Leids gelegen wäre: könnte er sofort handeln und müsste nicht lange auf den Fortschritt der Forschung  warten. Der individuelle Autoverkehr müsste drastisch heruntergebremst, der öffentliche Verkehr gewaltig gefördert werden.  Das aber ist, wie unser jetziger Verkehrsminister neulich sagte, schwachsinnig. Unfallopfer müssen wir leider weiter in Kauf nehmen. Wo gehobelt wird, fallen eben Späne - und werden dann entweder auf dem Friedhof entsorgt oder im Krankenhaus aufgelesen.

Jetzt hören wir aber ganz schnell in ein Gespräch zwischen zwei Fachleuten hinein: Thomas Sedran, der Chef der VW-Nutzfahrzeuge, und Alexander Hitzinger, der Leiter des Zentrums für Fahrer-loses Autofahren, tauschen sich aus (F.A.Z., 5.9.2019, S. 22).

Alexander Hitzinger: "Wenn es (das Rechner-gesteuerte Auto) das nicht könnte, wäre es schlecht. Das autonome System muss schon antizipieren (kursiv von mir), was ein menschlicher Fahrer macht. Und es muss sich selbst sehr ähnlich verhalten, damit es sich nahtlos ins Verkehrsgefüge einpassen kann".

Frage: Was ist an Baustellen, wo sich so gut wie kein Autofahrer an die Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h hält?

Thomas Sedran: "Da sehen Sie, wie komplex das Thema ist. Dann wäre das Roboterauto ein rollendes Hindernis".

Ein Hindernis! Das Roboterauto kennt nicht die täglichen Fragen der wechselnden Regeltreue - sprich: Korruption.

Wie auch? Es ist eine Maschine, der Menschen per Programmierung gesagt haben, was es tun soll. Praktizierte Korruption ist schwer zu programmieren, zudem gesetzeswidrig.

Das Roboterauto kann auch nicht antizipieren. Alexander Hitzinger betreibt Begriffsschmuggelei. Die vermeintliche Vorausschau einer Maschine besteht im Verrechnen von vielen in einem ausgemessenen Umfeld geschehenen Verhaltensereignissen zu einer Bewegungsrichtung - salopp gesagt: vergangene Verhaltensweisen werden hochgerechnet zu einer (nahen) Zukunft. Wir aber haben den Eindruck einer antizipierten Handlung sofort - weil wir in der Lage sind, mit einer fremden Bewegung mitzugehen: uns in einer gemeinsamen Gegenwart zu bewegen. Die Maschine hinkt prinzipiell immer hinterher; nur die gewaltige Rechnergeschwindigkeit erlaubt ihre Annäherung an eine zukünftige Gegenwart. Was übrigends auch bedeutet: das Roboterauto wird nicht schnell fahren
können.

Was sagt uns das? Die beiden Herren haben  den Unterschied zwischen Mensch & Maschine noch nicht richtig begriffen. Aber vielleicht interessiert sie der Unterschied nicht: sie sind die schlichten Propagandisten ihres Geschäfts.   

Mittwoch, 11. September 2019

" I have no prejudices. I hate everybody". Donald John T.'s Ehrlichkeit

"Ich habe keine Vorurteile. Ich hasse jeden", war der Text auf einem New Yorker T-Shirt in den 80er Jahren. Ich wollte es kaufen, um es auf meiner Arbeitsstelle zu tragen - traute mich aber nicht. Das Motto passt auf den Handlungsstil des U.S.-Präsidenten Donald Trump. Er ist eine ehrliche Haut: er tut alles für seinen Stolz. Wer ihm allzu sehr widerspricht, fliegt, weil er Andersartigkeit nicht erträgt und mit Anfällen von Rage reagiert.

Das hat einen gewissen Charme für die öffentliche Diskussion, weil wir - wenn wir nicht sehr privilegiert sind - Andersartigkeit ertragen müssen und höchstens mit den Zähnen knirschen können. Die Ausnahme sind bei uns die gewählten Mitglieder unserer Parlamente jener Partei, deren Name schon eine Art Eigentor ist: Alternative für Deutschland, schließlich offeriert die Alternative die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten (in diesem Fall: wählen oder nicht wählen; aber das ist ja reichlich trivial)  - die haben schlechte Karten hinsichtlich der Wahrnehmung und des Verständnisses ihrer Andersartigkeit. Jetzt hat Donald Trump seinen Sicherheitsberater aus dessen Amt verwiesen: John Bolton, jenen Mann mit einem nicht so freundlichen Image, den die New York Times immerhin jetzt als voice of restraint bezeichnet hat. Restraint steht für: eine Haltung, sich zurückhalten zu können, wenn nötig. Der Sicherheitsgurt wird als restraint system bezeichnet. Donald Trump tut das nicht. Er liebt seine Unhöflichkeit. Er liebt seine Vernichtungsimpulse. Er folgt der Aufforderung missverstandener Psychotherapie: Lass es raus! Leider hat er offenbar einen Mitteilungszwang.

Heulen & Zähneklappern: viel Platz in Frankfurt auf der IAA für die Heilige Kuh (89)

Ich kenne keine Industrie, die so unverfroren, kindlich & grandios fantasiert wie die bundesdeutsche Automobilindustrie und deren Propagandisten. Letztes Beispiel: Porsches Taycan - die Limousine mit vier Türen und Elektroantrieb. "Porsche startet mit 761 PS ins Elektrozeitalter", titelte die F.A.Z. (5.9.2019, S. 26). Die heimliche oder nicht so heimliche Botschaft: Kein Grund zur Sorge. Wir bolzen weiter wie bisher. Was kostet die Welt. Was schert uns die Zukunft. Was irritiert uns die Klimakatastrophe. Porsche liefert die Protz-Position.

Holger Appel von der F.A.Z. (10.9.2019, S.1) rutscht auf seinem Schreibtischstuhl hin & her, die (vermuteten) Tränen (des Trotzes) in den Augen und stampft beim Tippen der Überschrift seines Textes mit den Füßen: "Jetzt erst recht zur IAA". Er schreibt:

"Jede Nation wäre stolz auf eine solche Industrie: Sie ist innovativ, gibt Millionen Menschen Arbeit, ihre Produkte sind die besten der Welt und überall begehrt. Doch Deutschland hat es geschafft, das Ansehen seiner Autobranche im eigenen Land an die Wand zu fahren. Amerika, China, Japan, ja sogar Frankreich schauen dem Treiben staunend zu und lachen sich ins Fäustchen".

Lesen Sie weiter. Das Schönste kommt noch.

"Die Selbstzerstörung hat ihren Kern im Diesel-Betrug von Volkswagen, damit aber nur noch wenig zu tun".

Betrüger verderben sich ihr Geschäft ein für alle mal. Das ist doch bekannt und weiß jeder, der oder die noch bei Trost ist. Der massive Betrug der VW-Leute, das ist die schlichte Wahrheit, war deren beste Lösung in ihrem Geschäft mit den gewaltigen Gewinn-Margen. Sie pfiffen auf Rechtsstaatlichkeit, Anstand, Gesundheit und Klimakatastrophe und auf ihre von ihnen abhängigen Leute und Kunden: wie gewöhnliche Kriminelle. Punkt zwei: das Tagtraum- und Fantasie-Konzept vom Auto als der individuellen Kutsche für alle Wege & alle Entfernungen läuft aus als nicht mehr zeitgemäß. Punkt drei: Die Autoindustrie hat diese Entwicklung mit allen PR-Kräften ignoriert und gegengehalten. Punkt vier:  Einige Konzerne (vor allem VW) versuchen, Fakten zu schaffen und unsere Regierungen zu erpressen, die Infrastruktur zu finanzieren, um weiterhin ihre Millionen Kutschen - modifiziert um einen von schweren Batterien gefütterten elektrischen Antrieb - ausstoßen zu können. Punkt fünf: Die einzelnen bundesdeutschen Konzerne sind enorm über den Antrieb zerstritten, wie sie dieses Konzept durchsetzen können. Punkt sechs: Die Milliarden-schweren Markt-Anstrengungen leben von der Annahme, dass die mit der ihnen anscheinend jetzt entgegenkommenden Klima-Katastrophe notwendigen und verbundenen Regulationen ihr Geschäft sichern mögen. Punkt sieben:  Die Automobilindustrie, grandios in der Verleugung unserer Zukunft, sich rechtzeitig um ein anderes Konzept der Mobilität zu kümmern und ihre buchstäblich wahnsinnigen Produktionszahlen zu reduzieren und andere Arbeitsplätze zu ermöglichen, schlittert. Deshalb: Heulen & Zähneklappern. 

(Überarbeitung: 10.11.2019)