Dienstag, 14. Februar 2023

Jetzt haben wir den Schlamassel II: die Wahlergebnisse passen wie bei Armin Laschet schon wieder nicht; wer aber eine Regierung zustande bringt, gewinnt. Und was ist mit Berlin?

Mein Vater wurde in Berlin geboren. Meine Mutter versuchte ihm, das Icke auszutreiben. Berliner, das bekam ich schon früh mit, haben eine zu große Klappe, nehmen sich zu wichtig und sind zu laut. Das war wahrscheinlich vor dem zweiten Weltkrieg so. In der Nachkriegszeit hielt Bully Bulahn mit seinem Koffer, der noch in Berlin stand, die Fahne für Berlin hoch. Das war doch Klasse; ich war immer sehr gerührt. Der gepfiffene Walzer bei Sechs-Tage-Rennen war auch Klasse. Das geteilte Berlin war nicht Klasse. Zum Glück gab es das in der alten Präambel zum Grundgesetz gegebenene Versprechen, die Teilung irgendwann rückgängig zu machen. Irgendwann: irgendwie war die alte Republik zufrieden mit dem Irgendwann. Das änderte sich 1990. Wolfgang Schäuble erinnerte eindrucksvoll an das im Grundgesetz institutionalisierte Versprechen; Bonn war out; es gab kein Zurück vom Versprechen. 

Seitdem ist Berlin unser Monster. Für jede Menge Spott gut. So brauchen wir uns nicht zu erinnern, was wir mit der Vorkriegsmetropole verloren haben und was uns jetzt fehlt: das Gefühl für ein Zentrum. Kein Wunder, wenn jetzt herumgeeiert wird, wer Berlin regieren soll und wird.  Regieren? Soll das in dieser Republik funktionieren? Das Vergnügen am politischen, administrativen und psychosozialen Gepolter ist seltsam laut & sehr unterhaltsam. Und das mediale Gekabbel (Presse, Funk & TV) allerorten vertreibt das Entsetzen über unsere Zukunft.

Was ist mit unseren Brücken? Was ist mit unseren Steckdosen? Und wo bleibt die Munition?

Mittwoch, 8. Februar 2023

Es kommt immer was dazwischen: unsere (globale) Klima-Katastrophe und die Dringlichkeit des Geschäfts

Gestern (am Mittwoch, dem 9.2.2023) las ich im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Schlagzeile: "BP verdoppelt seinen Gewinn". Unterzeile: "Der Konzern macht eine halbe Kehrtwende und stutzt die Klimapläne. Dafür investiert er wieder stark in Gas und Öl.  Die Börse jubelt" (F.A..Z. vom 8.2.2023, S. 21).

Wer ist die Börse? Kann sie jubeln? Nein. Es sind die Leute, die investieren & kaufen. Wer wohl? Das aufzuklären, wäre doch einer journalistischen Anstregung wert. Und was ist eine halbe Kehrtwende

Die halbe Kehrtwende ist die journalistische, euphemistische Formel für: Desinteresse & Stillstand. Kein journalistischer Aufschrei. Der verschlafene journalistische Beobachter & Komplize, der seinen Auftrag vergessen oder sich keine Mühe gegeben hat, heißt: Philip Plickert. Aber vielleicht hat die Redaktion der klugen Zeitung ihn nicht angehalten & unterstützt, sich Mühe zu geben. Dabei hat António Guterres gerade zur Kenntnis gegeben:

"We need disruption to end the destruction. No more baby steps. No more excuses. No more bottemless greed of the fossil fuel industry and its enablers".   

Die Quelle  ist: Bill McKibben, Daily Comment des The New Yorker vom 6.2.2023.   

Montag, 6. Februar 2023

Jetzt haben wir den Schlamassel: Angela Merkels Merksatz ("Es ist immer Wahlkampf") wird wieder getestet

Das Dilemma der Demokratie ist: die gewählten Akteure denken ständig, bewusst und nicht-bewusst, an die eigene Wiederwahl. Angela Merkel hat das Dilemma in dem unübertroffenen Satz ausgesprochen: "Es ist immer Wahlkampf". Wie sie ihn verstanden hat als eine Kurz-Beschreibung ihrer Lebensrealität, wissen wir nicht.  Man kann natürlich vermuten, was sie gemeint hatte: die Politikerin oder der Politiker bewegt sich unter einer so genannten journalistischen Beobachtung vor einer Spiegelwand, jemand kommentiert den Auftritt und extrapoliert oder prüft die Chancen der (Wieder-)Wahl. Das ist nicht mehr als recht: schließlich möchten wir wissen, wen wir gewählt haben und was gemacht wird. Das Problem ist: unser eigener Blick ist abhängig vom fremden  (journalistischen) Blick - den wir  (etwas)auswählen können & bezahlen müssen. Wir wissen nicht, mit welchem (wissenschaftlich fundierten) Blick beobachtet wird; wir kennen dessen Konzepte nicht. Das Problem ist: der fremde Blick gehört zu einem Geschäft, das wir nicht überschauen. Wir wissen nicht, wie gut oder wie schlecht es läuft und was unternommen wird, damit es gut läuft. Das Geschäft ist vor allem ein Beziehungsgeschäft, wie es Janet Malcom beschrieben hat (s. meinen Blog Janet Malcom ist tot vom 21.6.2021): benötigt wird eine  tragfähige (zuverlässige) Beziehung zu einer Gewährsfrau oder zu einem Gewährsmann, die oder der Auskunft gibt über die verborgenen oder nicht so  verborgenen Prozesse, die entlang einer feinen Linie von Inklusion und Exklusion verlaufen. Wir kennen nicht die Art & die Qualität der Komplizenschaft der Beziehungsübereinkunft. Anrempeln ist hier & da gestattet. Die journalistische Beobachtung ist ritualisiert und inszeniert: wir drücken uns die Nasen platt und sind von denen abhängig, die uns ihre Beobachtungen berichten und uns zu überzeugen suchen von ihren Beobachtungen. Das Geschäft mit dem Sehen & Hören und dessen Auswerten & Mitteilen  ist kompliziert. Viel Beziehungsarbeit steckt drin. Die Beziehungsnetze kennen wir nicht. Sie sind das unbekannte Gold des Geschäfts.

Jetzt haben wir den Fall von Nancy Faeser, unserer Bundes-Innenministerin, die sich neben ihren Amtsaufgaben für das Amt der hessischen Miniserpräsidentin bewirbt und ihren (kleinen) Hessen-Wahlkampf bestreitet. Für sie wird jetzt eine riesengroße Spiegelwand installiert. Jetzt wird genau aufgepasst - wird uns versprochen.

Hilft das? Nancy Faeser hat nichts dagegen. Ihr Chef übrigens auch nicht. Sagt er zumindest. Was haben wir davon? Abgesehen vom sadistischen Vergnügen? Man müsste Nancy Faesers Arbeitsbelastung kennen. Neulich fand sie Zeit, zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Katar zu fliegen. Was tut eine Ministerin? Man müsste die Liste ihrer Arbeitsbesprechungen kennen, ihrer Telefonate, ihrer Bewegungen, ihrer Büro-Anwesenheiten (allein oder im Kontakt). Erfahren wir leider (noch) nicht. Das wäre doch jetzt die Gelegenheit, die Realität einer Regierungsarbeit zu verfolgen und zu sehen,  welche Ideen, Konzepte und Projekte herauskommen. 

 

(Überarbeitung: 13.2.2023)