Mittwoch, 9. Oktober 2019

Neues von der Impeachment-Front

"Der amerikanische Außenminister Mike Pompeo", so die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf ihrer Ersten Seite (9.10.2019), "hat am Samstag die Aussage eines ranghohen Diplomaten blockiert". Der
Diplomat heißt Gordon Sondland und ist U.S.-Botschafter bei der Europäischen Union; ihm wurde untersagt, mit den Repräsentanten des Kongresses, die die Eröffnung des Impeachment-Verfahrens prüfen, zu sprechen.

Was bedeutet das? Kann man von einer konstitutionellen Krise sprechen? Nein, sagt Amy Fiscus, die auf die Fragen der nationalen Sicherheit spezialisierte Redakteurin der New York Times, das wäre der Fall, würde die Trump-Regierung oder der Kongreß ein Urteil des Höchsten Gerichts ignorieren. Sie konstatiert eine Art Hin & Her politischer Rauferei. Allerdings sei ungewöhnlich, dass der Präsident generell einen all-out war erklärt hat gegenüber den Ermittlungsversuchen des Kongresses; üblich wäre der Widerspruch gegen die Untersuchung eines bestimmten Sachverhalts.


Was bedeutet es noch? Institutionalisierte politische Verfahren greifen nicht mehr richtig - wenn wir davon ausgehen, dass die U.S.-Regierung es auf weitere Klärungs-Verfahren vor dem Höchsten Gericht ankommen lässt: der demokratische Konsensus, die Streitfragen gemeinsam in den dafür etablierten Foren aushandeln zu können, zerfranst. Das war bei uns so, als das Europäische Gericht die leidige, verfahrene Maut-Frage klären musste. Das war in Großbritannien so, als das höchste schottische Gericht und das höchste englische Gericht die Frage der Beurlaubung des Parlaments klären mussten. Das ist jetzt in den U.S.A. so, seit der amtierende Präsident die Grenzen seiner Macht auszureizen begonnen hat.

Was sagt uns das?
Zerstrittene Eltern können, wenn sie sich an die Pflichten ihres Amtes erinnern oder sich erinnern lassen und wenn sie vernünftig sind, sich beraten lassen. Unvernünftige Eltern sind verbohrt. Das Sorgerecht ist bei ihnen in den falschen Händen. Deren Kinder müssen später einen Preis zahlen. Unvernünftige Politiker sind ebenfalls verbohrt. Sie verletzen ihren Amtseid.  Deren Wählerinnen und Wähler müssen später einen Preis zahlen. Politiker können....ja, was?....aus dem Amt befördert werden, wenn die Gruppe der vernünftigen Politiker groß genug ist, um die demokratischen Verfahren in Bewegung zu setzen. Und wenn nicht? Dann sind wir dran. Zum Glück sind von der Woche noch sechs Tage frei. Und für die nordamerikanische Wählerschaft gibt es demnächst Neuwahlen.

Montag, 7. Oktober 2019

Wann rastet Donald John aus?

Bald, sagt Majid Sattar in der Überschrift seines Berichts mit der schiefen Metapher Die Nerven des Präsidenten liegen blank (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.10.2019, S. 2, Nr. 232). In unserem Sprachgebrauch kündigen die blanken Nerven eine Überlastung der regulierenden Funktionen und einen Kontrollverlust an.

Schön wär's ja, dann würden die in unserer Öffentlichkeit kursierenden Fantasien und Hoffnungen auf eine Amtsverkürzung des U.S.-Präsidenten sich endlich einstellen und das Warten auf das impeachment-Verfahren hätte ein zügiges Ende. Leider hat Majid Sattar keinen persönlichen Kontakt zu dem Präsidenten und kann dessen Verfassung beobachten. Sein Befund der Überlastung ist erschlossen. Susan B. Glasser von der Zeitschrift The New Yorker (3.10.2019, online) bezieht sich auf eine empirische Basis: die Frequenz der Twitter-Aktivitäten des U.S.-Präsidenten - so hoch wie nie zuvor: im August dieses Jahres 690 und im September dieses Jahres 801 tweets. Seitdem der Bericht des special counsel Robert Mueller  im Frühjahr veröffentlicht wurde, mischte sich Donald John Trump mehr & mehr ein. Jetzt nannte er den (konservativen) Senator Mitt Romney: a pompous ass. Gutes Zeichen? Schlechtes Zeichen? Die Amplitude seines Wütens hat zugenommen. Sie wird weiter zunehmen. Donald John Trump wird nicht nachgeben.

Was soll man mit denjenigen tun, die demokratische Umgangsformen ausreizen und zu zerstören drohen? - Zeitungs-Lektüre 91

Ausschließen, sagt Jasper von Altenbockum in der Frakfurter Allgemeinen Zeitung (vom 2.10.2019, S. 1, Nr. 229): "Es kann kein Zweifel geben, dass es Demokratie- und Parteiverächter gibt, die unbelehrbar sind und deshalb ihrerseits zu ächten sind". Ein naiver, Demokratie-unfreundlicher Vorschlag. Wie soll das gehen? Indem ihnen die Staatsbürgerschaft oder das Recht zu wählen aberkannt wird? Wie das? Und dann?

Jonathan Freedland empfahl in The Guardian neulich (27.9.2010; 18.38  BST): Raufen und sich schmutzig machen. "In Britain and America, the lesson is clear. Fighting populists might be like wrestling with a pig - you both get dirty, but the pig likes it - and yet it has to be done. The alternative is to see our democratic way of life snuffed out while we watch and wait and do nothing". Like wrestling with a pig ist als robuste Metapher gemeint. Wie man mit einem Schwein ringt, lässt Jonathan Freedland offen. Es ist sicherlich schwer zu packen. Aber Schmutzigwerden ist nicht zu vermeiden. Ein vorwurfsvoller Blick der glühenden Verachtung ist zu wenig. An die Tischmanieren zu erinnern hilft auch nicht.   

Die nordamerikanischen Demokraten haben mit dem Beginn der Untersuchung, ob das Verfahren des impeachment eingeleitet werden kann, zu einem drastischen Mittel, das unschöne, schmutzige Reinigungsspuren hinterlassen wird, gegriffen. Donald John Trump wird jedes Mittel, das sein Amt und seine Leute ihm zur Verfügung stellen, ergreifen. Die Frage wird sein, wie weit seine Leute bereit sind, ihn zu schützen in seiner Perversion des Amtes, und wie weit die demoskopisch erfasste öffentliche Meinung das impeachment-Verfahren favorisiert. Die gewählten Repräsentanten der Alternative für Deutschland sind keine Mitglieder der Bundesregierung. Aber man sie kann doch messen an der Qualität ihrer parlamentarischen Arbeit. Das Versprechen einer kritischen Opposition - wir werden Sie jagen - haben sie meines Wissens bislang nicht eingelöst; ihre parlamentarische Anwesenheit, habe ich aufgeschnappt, lässt zu wünschen übrig. Damit könnte man doch schon einmal in den clinch gehen und Punkte im Nahkampf sammeln.