Dienstag, 19. September 2023

Das Gedöns mit der Brandmauer im Sommer 2023. Was ist eine Brandmauer?

1. Der DUDEN sagt dazu: "feuerbeständige Mauer zwischen aneinander stoßenden Gebäuden". 

2. Der Titel des 1999 in Schweden und 2001 in der Bundesrepublik erschienen Romans von Henning Willander.

3. Typischer Merkel-Kitsch der Hilflosigkeit. Ob unsere ehemalige Bundeskanzlerin die Erfinderin dieses politischen Nicht-Konzepts war, weiß ich nicht. Sie hatte jedenfalls im Februar 2020 nach  Thomas Kemmerichs Wahl mit den Stimmen der sogenannten Alternative für Deutschland zum Ministerpräsidenten Thüringens aus Afrika angerufen und darauf bestanden, die Wahl rückgängig zu machen. Das Bundesverfassungsgericht rügte sie deswegen. Eine Ordnungsstrafe erhielt sie nicht. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war nicht einstimmig - es gab ein Sondervotum, das Angela Merkel recht gab. Unabhängig davon kann man dennoch Angela Merkels Nicht-Konzept als die Vokabel der Vermeidung verstehen, die politischen Vertreter der  sogenannten Alternative für Deutschland zu   schneiden (wie man sagt), im Umgang die spitzen Finger zu pflegen und von politischen Verfahren so weit wie möglich auszuschließen. Mit dieser Anweisung verletzte Angela Merkel ihren Amtseid, der von ihr forderte, das deutsche Volk in den Blick zu nehmen. Es ist erstaunlich, dass sie damit durchkam und dass die in den Parlamenten vertretenen Parteien, die dem Nicht-Konzept der Brandmauer folgen, ebenfalls heutzutage damit durchkommen. Die Brandmauer ist die Aufforderung zur Exklusion gewählter Parlamentarier.

4. Ein parlamentarisches Eigentor. Ständiger Anlass für Stunk, Klatsch & Häme, für parlamentarischen Stillstand und fröhliche Vermeidung relevanter politischer Arbeit.

5. Eine Art parlamentarischer Hypothek. Jetzt kommt der Oppositionsführer mächtig ins Trudeln  - Friedrich Merz redet sich rein & raus. Der faschistische Hohn von der früheren (in den 20er und 30er Jahren) Schwatzbude ist nicht weit entfernt. Ob diese zerstörerische Vokabel ausgesprochen wird, müssen wir sehen. Das Schenkelklopfen findet schon statt.

6. Was kann man machen?

7. Das Parlament kann sich entschließen, die Partei der vermeintlichen Alternative wegen ihrer faschistischen Sprache, ihrer Zerstörungsabsichten und ihrer parlamentarischen Inkompetenz und Passivität auszuschließen.

8. Wenn sich das Parlament darauf nicht verständigen kann, müssen seine gut meinenden Repräsentanten mit den destruktiv auftrumpfenden Vertretern und Vertreterinnen schmutzig diskutieren und die faschistischen Töne und Vokabeln nicht durchgehen lassen, so dass sie ausreichend protokolliert werden können. Den Aufschrei der Parlamentarier, die angekündigt hatten, ihre parlamentarischen Kollegen & Kolleginnen zu jagen, muss das Parlament aushalten. Die Union, die sich in den vergangenen Jahrzehnten darauf verständigt hatte, der Empfehlung Konrad Adenauers zu folgen und nicht ihrem Riechorgan, wird nicht umhin kommen, ihre olfaktorischen Fähigkeiten wieder zu beleben.  

 

Caren Miosga und die Scheu vor dem Begriff des Faschismus am 25.8.2023 in den "Tagesthemen" der ARD

 Donald John Trump, der abgewählte und wegen seiner Zerstörungsversuche demokratischer Verfahren mehrfach angeklagte Politiker, ist zur Zeit für die Mehrheit der republikanischen Wählerschaft - wenn man den laufenden Meinungsbefragungen eine Realitätsaussage zutraut - der Kandidat für die kommende Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin. Für einen Teil der republikanischen Wählerschaft gilt Donald Trump als das Opfer der korrupten  nordamerikanischen Jurisdiktion. Das Ideal des fair trial wackelt. Das ist schwer aushalten. Weshalb Caren Miosga am 25.8. 2023 in den Tagesthemen die US-amerikanische, lange Zeit in Berlin lebende Philosophin Susan Neiman fragte: "Wie kann man dieses Spiel demaskieren?" 

Susan Neiman entgegnete : "Ich würde erstmal auf das Wort Populismus verzichten - ein verschleierndes Wort. Was mit Trump und seinen Anhängern passiert, ist ganz klar  - Protofaschismus". Caren Miosga lachte verlegen  und zögerte: "Sie verstehen schon, dass wir Deutsche mit unserer Vergangenheit... Schwierigkeiten haben... Trump mit solchen Begriffen zu belegen". Susan Neiman signalisierte   freundlicherweise ihr Verständnis. Dabei sollten wir mit unserer Vergangenheit uns im Faschismus besonders gut auskennen; offenbar hat unsere Vergangenheitsbewältigung unsere Vergangenheit unzureichend bewältigt."Aber, wenn Sie's denn behaupten", setzte Caren Miosga ihre Frage des Unverständnisses und der Scheu fort, "wie kann man's demaskieren?" Susan Nieman empfahl, die Dinge beim Namen zu nennen; kein beschwichtigendes Vokabular zu verwenden: "Bis der Faschismus manifest ist, ist es zu spät".  

Ungemütliche Aussichten für die Tagesthemen im späten August 2023.David Remnick, der Chefredakteuer der Zeitschrift The New Yorker, beschrieb Donald John Trump als schamlos. Dem Konzept der Wahrheit folgt Donald Trump nicht. Es gibt nichts zu demaskieren. Donald John Trump ist ein offenes Buch. Was ihm dient, zählt und ist wahr; was ihm nicht dient, ist unwahr und muss bekämpft und zerstört werden. Er liebt die Macht der Unterwerfung. Er liebt den faschistischen Krawall. Mit der Aussicht kann man natürlich schlecht einschlafen. Bleiben Sie zuversichtlich! lautet der regelmäßige GuteNacht-Gruß von Ingo Zamparoni. Was macht man?

Dem faschistischen Krawall gut zuhören und ihn faschistischen Krawall nennen. Wer erinnert sich an die 50er & 60er Jahre, als das Adjektiv nationalsozialistisch mit einer  Überwindung ausgesprochen werden musste? 1952 empfahl der erste Bundeskanzler unserer (damals noch unvollständigen) Republik, mit der Nazi-Schnüffellei aufzuhören. Die Abrechnung mit dem Nationalsozialismus und seinen Protagonisten war ungern gesehen. Die Herren wollten nicht aufgestört werden. Die konservative Regierung wollte nicht aufgestört werden. In den 70er Jahren bewahrte die Vokabel Holocaust uns vor Zungen-Verdrehern - sie ging vergleichsweise leicht über die Lippen. Caren Miosga versuchte, ihr Publikum vor der schwer auszusprechenden Vokabel Faschismus zu schützen. Susan Neiman bestand darauf, sie in den Blick zu nehmen und auszusprechen.