Dienstag, 19. September 2023

Caren Miosga und die Scheu vor dem Begriff des Faschismus am 25.8.2023 in den "Tagesthemen" der ARD

 Donald John Trump, der abgewählte und wegen seiner Zerstörungsversuche demokratischer Verfahren mehrfach angeklagte Politiker, ist zur Zeit für die Mehrheit der republikanischen Wählerschaft - wenn man den laufenden Meinungsbefragungen eine Realitätsaussage zutraut - der Kandidat für die kommende Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin. Für einen Teil der republikanischen Wählerschaft gilt Donald Trump als das Opfer der korrupten  nordamerikanischen Jurisdiktion. Das Ideal des fair trial wackelt. Das ist schwer aushalten. Weshalb Caren Miosga am 25.8. 2023 in den Tagesthemen die US-amerikanische, lange Zeit in Berlin lebende Philosophin Susan Neiman fragte: "Wie kann man dieses Spiel demaskieren?" 

Susan Neiman entgegnete : "Ich würde erstmal auf das Wort Populismus verzichten - ein verschleierndes Wort. Was mit Trump und seinen Anhängern passiert, ist ganz klar  - Protofaschismus". Caren Miosga lachte verlegen  und zögerte: "Sie verstehen schon, dass wir Deutsche mit unserer Vergangenheit... Schwierigkeiten haben... Trump mit solchen Begriffen zu belegen". Susan Neiman signalisierte   freundlicherweise ihr Verständnis. Dabei sollten wir mit unserer Vergangenheit uns im Faschismus besonders gut auskennen; offenbar hat unsere Vergangenheitsbewältigung unsere Vergangenheit unzureichend bewältigt."Aber, wenn Sie's denn behaupten", setzte Caren Miosga ihre Frage des Unverständnisses und der Scheu fort, "wie kann man's demaskieren?" Susan Nieman empfahl, die Dinge beim Namen zu nennen; kein beschwichtigendes Vokabular zu verwenden: "Bis der Faschismus manifest ist, ist es zu spät".  

Ungemütliche Aussichten für die Tagesthemen im späten August 2023.David Remnick, der Chefredakteuer der Zeitschrift The New Yorker, beschrieb Donald John Trump als schamlos. Dem Konzept der Wahrheit folgt Donald Trump nicht. Es gibt nichts zu demaskieren. Donald John Trump ist ein offenes Buch. Was ihm dient, zählt und ist wahr; was ihm nicht dient, ist unwahr und muss bekämpft und zerstört werden. Er liebt die Macht der Unterwerfung. Er liebt den faschistischen Krawall. Mit der Aussicht kann man natürlich schlecht einschlafen. Bleiben Sie zuversichtlich! lautet der regelmäßige GuteNacht-Gruß von Ingo Zamparoni. Was macht man?

Dem faschistischen Krawall gut zuhören und ihn faschistischen Krawall nennen. Wer erinnert sich an die 50er & 60er Jahre, als das Adjektiv nationalsozialistisch mit einer  Überwindung ausgesprochen werden musste? 1952 empfahl der erste Bundeskanzler unserer (damals noch unvollständigen) Republik, mit der Nazi-Schnüffellei aufzuhören. Die Abrechnung mit dem Nationalsozialismus und seinen Protagonisten war ungern gesehen. Die Herren wollten nicht aufgestört werden. Die konservative Regierung wollte nicht aufgestört werden. In den 70er Jahren bewahrte die Vokabel Holocaust uns vor Zungen-Verdrehern - sie ging vergleichsweise leicht über die Lippen. Caren Miosga versuchte, ihr Publikum vor der schwer auszusprechenden Vokabel Faschismus zu schützen. Susan Neiman bestand darauf, sie in den Blick zu nehmen und auszusprechen.

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