Donnerstag, 30. März 2017

Die Wahrheit. Die Wahrheit? Ja, die Wahrheit!

Die Wahrheit ist ein schwieriges, aber grundlegendes Konzept. Sie gehört zur Grundlage unserer demokratischen Verfasstheit. Sie ist die Basis unseres Rechtssystens. Wenn sie in einer Kultur der Korruption erodiert, ist die demokratische Verfasstheit gefährdet. Politikverdrossenheit ist auch eine Vokabel für das Gefühl der Erosion der Wahrheit. Die Wahrheit enthält eine tiefe Sehnsucht. Sie ist ein Handlungsideal; als Handlungskonzept muss sie sich (interaktive) Modifikationen gefallen lassen: auch die Unwahrheit ist wahr. Wilfred Ruprecht Bion, der britische Psychoanalytiker, sagte einmal (sinngemäß): die Seele wächst nur an der Wahrheit.

Bücher mit der Wahrheit im Titel gibt es zuhauf. Hans-Georg Gadamers schönes Buch Wahrheit und Methode (1975). Alfred Lorenzers tapferes Buch Die Wahrheit der psychoanalytischen Erkenntnis. Ein historisch-materialistischer Entwurf (1974). Heute können wir erleben,  dass die Wahrheit nicht relevant ist oder zumindest nicht als Handlungsmaxime berücksichtig wird. Drei Beispiele.

1. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist beantragt; er wird verhandelt. Die britische Regierung und die Repräsentanten der beiden Häuser haben sich nicht getraut zu sagen: das
Referendum zum Austritt war eine Schnapsidee, nicht ernst gemeint und sollte dem Machterhalt des Premiers dienen. Nein, die Tories wurschteln weiter; sie bliesen das Projekt nicht ab, dachten nicht noch einmal gründlich über den tiefen Unmut ihrer Leute nach und riskierten keine Neuwahlen. Politiker sind auch Menschen. Aber bevor sie ihre Ämter antreten, leisten sie keinen Eid auf den Machterhalt, sondern den Eid auf das Wohl ihres Volkes.

2. Die Maut-Schnapsidee. Eine lange Legislatur-Periode beschäftigt dieses Biertisch-Projekt, geboren, um ein Bier-besäuseltes Gefühl von Gerechtigkeit zu befriedigen, Behörden, Beamte, Politiker, Journalisten und die von ihnen hergestellte Öffentlichkeit der Bürgerinnen und Bürger.
Keiner nennt die Maut-Schnapsidee eine Schnapsidee. Politiker sind auch Menschen. Aber bevor sie ihre Ämter antreten, leisten sie keinen Eid auf den Machterhalt, sondern den Eid auf das Wohl ihres Volkes.

3. Die Verkehrspolitik. Seit 1973 wissen wir: der Autoverkehr muss im Dienste des sorgsamen Umgangs mit unseren Ressourcen und im Dienste des sorgsamen Umgangs mit unserem Planeten begrenzt werden. Als einziges Land der Welt leisten wir uns den Wahn, auf unseren Autobahnen, sofern die Geschwindigkeit nicht limitiert ist, so schnell fahren zu können wie wir können. Seit Mitte der 70er Jahre fand die automobile Hochrüstung statt. Was ist heute ein Auto wert, das nicht einmal 200 km/h zustande bringt? Wenig. Dann kam der Clou - wie bei der Atomindustrie -: das grandiose Versprechen, schnell fahren zu können (so schnell und komfortabel wie es geht), wenig zu verbrauchen und dabei noch die Umwelt zu schonen.

Von nix kütt nix,  weiß jeder Kölner. Nur unsere Öffentlichkeit schlief. Langsam wacht sie auf, reibt sich die Augen und realisiert den hoax der Autoindustrie (wie der Atomindustrie). Wie sagt man? Heulen & Zähneklappern. Ab 2020 gelten die Abgasnormen der EU: vier Liter Verbrauch, 95 g Treibhausgase. Wie soll das gehen?

Wenn ich an mein Autofahren denke: schneller (eher einen Deut langsamer) als 80 km/ kann man dann nicht fahren, besser gesagt: schneller darf man sein Auto nicht rollen lassen. Leichte Autos müssen her, elektronisch abgespeckt. Und nun?  Heulen & Zähneklappern. Die arme Autoindustrie. Sie durfte zu lange fantasieren. Das Fantasieren hört übrigens nicht auf: Circus Maximus wurde am vergangenen Dienstag (28.3.2017) der Text über den im Auftrag von Volkswagen gebauten Bugatti Chiron (420 km/h, 1500 PS) auf der ersten Seite der Zeitung für die (klugen) fantasierenden Köpfe angekündigt. Lange Rede, kurzer Sinn:  Politiker sind auch Menschen. Aber bevor sie ihre Ämter antreten, leisten sie keinen Eid auf den Machterhalt, sondern den Eid auf das Wohl ihres Volkes. Aber wen schert das Wohl des Volkes? Was sagte unsere Bundeskanzlerin vor ein paar Tagen (sinngemäß): eigentlich ist immer Wahlkampf. Das, muss ich anerkennen, war ein wahrer Satz.

Nachtrag: seit gestern kann man das T-Shirt der New York Times mit der Aufschrift Truth ordern.

(Überarbeitung: 31.3.2017)

Mittwoch, 29. März 2017

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXVIII: Was ist ein "politisches Spaßbad"?

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat die Landtagswahl am vergangenen Sonntag im Saarland nicht gewonnen. Der von Jasper von Altenbockum verfasste Kommentar hat den Titel: "Ende der Festspiele" (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.3.2017, S. 1). Er schreibt:

"Die Festspiele für Martin Schulz sind erst einmal vorbei. Vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai, erst recht aber vor der Bundestagswahl im September wird sich die SPD der Einsicht stellen müssen, dass nüchternes Regieren allemal besser sei als das laute Plantschen im politischen Spaßbad".

Wer will, kann sich jetzt unsere politischen Repräsentanten im Badeanzug vorstellen. Aber Spaßbad beseite: so klein muss der Journalist den Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten doch nicht machen. Wie so oft schützen manche Herren der Zeitung für die klugen Köpfe beflissen und devot ihre Kanzlerin vor irgendwelcher Unbill - dieses Mal mit ausgebreiteten Bade-Handetüchern vor Wasser-Spritzern. Ich wünsche gutes Wetter! 

Worte-Fund IV: "Sie dürfen Ihre Karte rausnehmen"

Dürfen. Seit wann ist dieses Verbum so im Umlauf? "Sie dürfen Ihre Karte rausnehmen", sagten mir die Kassiererin bei Rewe und der Tankwart an der Kasse. "Sie dürfen sich setzen", sagte der Arzt. "Sie dürfen ihn nehmen", sagte die Bankangestellte, die mich auffordert, meinen Personalausweis einzustecken. Ich darf, ich darf, ich darf .... was? Ich bin jedesmal erstaunt über die Selbstverständlichkeit, die mir gestattet wird. Ich denke: eine geschraubte Formel - ähnlich der des Sich-Bedankens, bei dem die Sprecherin oder der Sprecher sich bedankt, womit der, dem der Dank gilt, vom Dank ausgeschlossen wird, worüber der oder die Adressierte sich wirklich bedanken könnte.... seltsame deutsche Sprech-Akrobatik, seit den 50ern (oder vielleicht früher?) im Umlauf als pompöse, dröhnende Höflichkeit besonders bei öffentlichen Anlässen.


Wie so oft hilft der Blick in den Kluge. Das Verbum dürfen ist das Gegenverbum zum darben. Es meint: "eine Sache genießen", "sich freuen". Wenn ich also den Kluge richtig verstanden habe, dann signalisiert das Dürfen den Auftakt zu einem Genuß. Du Darfst!  hatten wir vor einiger Zeit. Schöne Aussichten. Jetzt wird der Alltag hier & da genossen. Kleine Verrichtungen sind mittelgroße Feste.

Dienstag, 21. März 2017

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXVII: eine stilistische Nickligkeit

Texte schmuggeln einem hier & da die Klischees, die Vorurteile oder Ressentiments in den Kopf mit kleinen, bescheidenen Mitteln - ich merke es daran, dass mir irgendein Satz oder Satzteil nachgeht. Ein Beispiel. Martin Schulz wurde am Wochenende mit einer 100-prozentigen Mehrheit zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet darüber (20.3.2017, S .2); der Autor ist Mahjid Sattar. Er beschreibt die Rede von Martin Schulz am Abend dieses Erfolgs. Ich zitiere einen Satz:

"Dann bettet er seine persönliche Aufstiegsgeschichte mit belegter Stimme in die Historie der ältesten Partei Deutschlands ein, einer Partei, darauf weist er zur Verortung des Tages hin, welche die Demokratie in Deutschland erstritten, das Frauenwahlrecht erkämpft und sich dem Nationalsozialismus in den Weg gestellt habe, einer Partei auch, die in der DDR verboten gewesen sei".

Nachgegangen ist mir die adverbiale Bestimmung mit belegter Stimme. 

Was soll die Formel? Rührseligkeit als Kommunikationsmittel? Oder ist Martin Schulz rührselig? Die belegte Stimme ist für mich: falscher Ton und schlechte Beschreibung - wie will man die Aufregung und Erregung, die Zuwendung und die Verpflichtung, in diesem Forum so exponiert zu werden, sortieren? Der Autor mischt sich ein; er klebt ein Etikett auf Martin Schulz.  Die belegte Stimme ist für mich auch unfair: wurde sie schon bei Angela Merkel beobachtet? Martin Schulz, der ehemalige Präsident des Europaparlaments, der jetzt einen neuen Ton anschlägt und ein großes Echo erzeugt, wird - klein gemacht: buchstäblich. Das nenne ich demagogischen Dünkel. 

(Übersarbeitung: 4.10.2019)   

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXVII: welche Wirklichkeit zählt?

Dieser Blog setzt den vorigen Blog fort.

"Schweizer UBS in Frankreich angeklagt", lautet die Schlagzeile im Wirtschaftsteil der Frankfrter Allgemeinen Zeitung (vom 21.3.2017, S. 19). Darunter der kleiner gesetzte Titel: "Der Bank werden schwerer Steuerbetrug und Werbung für illegale Geschäfte vorgeworfen. Sie reagiert gelassen".

Gelassen. Wie kann die (verantwortliche) Leitung einer Bank gelassen auf diese mächtigen Vorwürfe, die vor einem französischen Strafgericht verhandelt werden, reagieren? Natürlich nicht. Die Anklage ist eine Katastrophe. Wieso kann ein Journalist oder eine Journalistin dann diesen Untertitel (sie reagiert gelassen) einfügen? Leider war ich nicht dabei, als über diese Zeile entschieden wurde - oder nicht entschieden wurde. Als Leser dieser Zeitung vermute ich, dass die Entscheidung zu ihrem Konzept von Wirklichkeit gehört: die Oberfläche als wahr auszugeben. Die Oberfläche ist die Beteuerung der Bank - in einer Verlautbarung oder auf einer Pressekonferenz. Wieso wird die Beteuerung - also die Verleugnung -  verbreitet und der Leserschaft zugemutet?

Ruhe ist die erste Zeitungspflicht: die Scheu, die Oberfläche des - schlecht beobachteten - Verhaltens zu verlassen. Journalismus auf Zehenspitzen. Die Vermeidung von Kritik. Davon hat eine Demokratie - nichts. Das Leisetreten enthält eine korrupte Moral.

Dabei teilte die Bank auf Anfrage der Redaktion mit: "Wir sind auf ein faires Verfahren vorbereitet und werden uns weiterhin vehement in dieser Angelegenheit verteidigen". Vehement ist das Wort, das der Gelassenheit widerspricht: wer sich vehement verteidigt, fühlt oder sieht sich in großer Gefahr. Erstaunlich, dass diese Vokabel nicht in den Text eingearbeitet, die Verleugnung beibehalten wurde.   

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXVI: In Frankfurt am Main und in New York City - welche Wirklichkeit zählt?

Heute, am 21.3.2017, kann man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Text von Winand von Petersdorff lesen (S. 20) über die "Welt des Donald Trump" - die Untertitel: "Ist der amerikanische Präsident wirklich so unberechenbar und wetterwendisch wie oft behauptet? Anzeigen, die vor dreißig Jahren erschienen, zeigen: Er ist es nicht".

Das sind doch gute Nachrichten. Der U.S.-Präsident ist sich treu geblieben. "Demütigung und Verrat" seien seine "zentralen Motive" in seinen Einschätzungen wirtschaftlicher Prozesse: die U.S.A. würden ausgebeutet und übervorteilt. Dagegen kämpfe er seit drei Dekaden unbeirrt an. Dagegen kann man doch nichts haben - weshalb Winand von Petersdorff ihn so verteidigt:

"Falsch ist die Darstellung, er sei die Marionette seines erzkonservativen Chefstrategen Steve Bannon. Die beiden vereint das Ziel, Amerikas vermeintlichen Niedergang zu beenden und seine alte Größe wieder herzustellen. Für westliche Verbündete Amerikas könnte der Umgang mit Donald Trump deutlich einfacher sein, wäre er vor allem von seinem Narzissmus geprägt. Dann würde er über kurz oder lang die Anerkennung der alten Freunde suchen. Das Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel am vergangenen Freitag offenbarte die Persönlichkeit Trumps. Anders als oft dargestellt hat Trump Merkel warmherzig empfangen, respektvoll zugehört, ihre großen Kenntnisse gelobt und Widerworte mit der Freude eines Unterhändlers beantwortet, der endlich ein Counterpart auf Augenhöhe gefunden hat". 

Geschwafel. So einfach ist es mit dem "Narzissmus" und der "Anerkennung" nicht.  Es gibt auch einen pathologischen destruktiven Narzissmus. Abgesehen davon, passen diese Konzepte schlecht auf die Beziehungsdynamiken politischer Prozesse. Man müsste Zugang zu diesen Prozessen haben. Dass am Freitag die "Persönlichkeit" des U.S.-Präsidenten bekannt wurde, ist die Behauptung eines blinden Hahns. Und wo und wie er - der beim Gespräch des Präsidenten und der Kanzlerin nicht anwesend war - das Warmherzige beobachtet haben will, ist ein Rätsel: der Journalisten-Bluff im Dienste der Beruhigung: kein Grund zur Sorge, liebe kluge Köpfe.

Tief beunruhigt über die erratische Politik ihres Präsidenten und ihrer Regierung sind beispielsweise die Autorinnen und Autoren der New York Times, des The New Yorker und der The New York Review of Books. Am 17.3., dem Tag des Besuchs unserer Kanzlerin, überschrieb Charles M. Blow seinen Kommentar in der New York Times mit: "A ticket to hell". Sein erster Satz: "Donald Trump has spent his whole life overselling an overinflated vision of himself and his success". Sein letzter Satz: ""Donald Trump has sold his supporters - and by extension, this country - a ticket to hell". Im neuesten Heft der The New York Review (9.3.2017) hat Elzabeth Drew ihren Text über den U.S.-Präsidenten mit "Terrifying Trump" getitelt. Erschreckend seien seine executive orders: miserabel entworfen und formuliert; sein oberflächliches Verständnis internationaler Politik; seine  zwanghaften Lügen; seine Angriffe auf die Presse; seine Intoleranz für differente Auffassungen. Hinzukommen seine offenbar - aus der Qualität der Amtsführung abgeleiteten - psychischen Defizite als eine beunruhigende Frage der Kompetenz der Präsidentenschaft: die inzwischen öffentlich - trotz der U.S.-amerikanischen ethischen Verpflichtung des Berufsverbandes der Psychiater, keine Ferndiagnosen zu stellen - diskutierte Vermutung einer Persönlichkeitsstörung und eines aufgrund seines (inzwischen) limitierten Wortschatzes angenommenen dementiellen Prozesses.  

Das sind riesige Unterschiede. Winand von Petersdorff ist der Propagandist der Verleugnung und Beschwichtigung - die seit dem Beginn der Bundesrepublik vertraute Technik des Durchmogelns und der moralischen Korruption. Dabei müssten wir - mit unserem nationalsozialistischen Erbe einigermaßen vertraut - doch einen Blick haben für pathologische, entdifferenzierende und anomische Prozesse, die die institutionelle Verfasstheit einer Gesellschaft zerstörten (wie zwischen 1933 und 1945) oder gefährden (wie jetzt in den U.S.A.). Winand von Petersdorffs Text ist ein Beispiel für die misslungene Integration unseres Erbes. Der Nationalsozialismus ist noch nicht richtig verstanden. In den U.S.A. zeichnet sich ein strapaziöses Ringen um die Wahrheit und den Anstand demokratischer Auseinandersetzungen ab.  Demokratische Institutionen stehen auf dem Spiel (s. meinen Blog vom 27.1.2017: The worst is yet to come). Es ist ernst. 

Freitag, 17. März 2017

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXV: Muss man Mitleid mit der Atomindustrie haben?

Der Konzern Eon macht Milliarden-Verluste - im Jahr 2016: 16 Milliarden Euro. Zusammen mit RWE und Uniper kommen die Firmen auf 25 Milliarden Euro Verlust. Helmut Bünder kommt in seinem Kommentar Ein teurer Schlussstrich (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.3.2017, S. 17) zu der verständnisvollen Formulierung: "die von der Energiewende gebeutelten Stromversorger".

Gebeutelt. Das ist nett. Knapp vierzig Jahre lang haben die Atom-Konzerne enorm verdient - mit einem Geschäft, von dem Mitte der 70er (oder etwas früher) vorhergesagt worden war, dass dessen Kosten nicht zu bezahlen wären. Davon abgesehen, sind die Kosten der unkontrollierten Verbrennung und des unkontrollierbaren Abfalls so gewaltig, dass ich dafür kein Wort kenne.

Die Entscheidung für die Atom-Energieerzeugung ist ein unglaublicher Skandal. Die Bewohner von Fokushima (und weiterer Umgebung) müssen für den Beleg der Katastrophe herhalten - jetzt werden sie offenbar (mit dem Mittel der Kürzung von Unterstützungsgeldern)  von der japanischen Regierung gewungen, ihre Wohnorte wieder aufzusuchen. Der Skandal ist nicht mit Zahlen zu beziffern. Es wird wirklich Zeit, dass dieses Geschäft geschlossen wird.  Es wird wirklich Zeit, dass verstanden wird, wie rigoros das Geschäft dominiert - unabhängig von der Regierungsform, auch in den demokratisch verfassten (westlichen) Gesellschaften, in denen die Geschäftleute animiert und dazu eingeladen werden,  kräftig und erbarmungslos zu fantasieren; unabhängig von einem vernüftigen wissenschaftlichen Rat. Es wurde und es wird nicht hingehört.

Hart, aber unfair: es lebe die Verwirrung!

Talkshows verführen und verwirren - häufig. Vergangenen Montag, am 13.3.2017, sah ich die letzten zwanzig Minuten von Hart, aber fair (inzwischen habe ich die Sendung nachgesehen): Erdogan Aktürk, der Vater von drei Kindern, Taxifahrer, der seinen alten Beruf als Architekt schon lange nicht mehr ausübt, wurde befragt zu seinem Grundgefühl als bundesdeutscher Bürger mit zwei Pässen: "Ich bin Berliner", sagte er John F. Kennedy-klug; seit über 40 Jahren lebt er in der Bundesrepublik und hat sich auf seine Weise integriert - mit der Betonung seiner türkischen Wurzeln. Hier fühlt er sich als deklassierter Bürger, dem noch immer Fragen nach seiner Kenntnis der deutschen Sprache, nach seinem türkischen Stolz gestellt würden.

Erdogan Aktürk gab seine Antwort auf die Frage der Sendung, deren Titel so lautete: "In Freiheit leben, Erdogan wählen - wie passt das zusammen?" Frank Plasberg führte damit in die Sendung ein und erläuterte den Titel mit seiner weiteren Frage: "Welcher Frust steckt dahinter?"

Die Frage nach dem Frust wurde von Erdogan Aktürk spät in der Sendung beantwortet. Und dann ging sie unter. Unser Innenminister Thomas de Maizière lobte dessen idomatische Sprachkenntnis - der Lehrer, der einem erwachsenen klugen Mann und Vater ein befriedigend ausstellt. Thomas de Maizière schob noch nach, dass ihn der "Stolz" des Vaters auf seine drei Söhne "beeindruckt" hätte. Womit Thomas de Maizière mit seiner gebügelten Verwaltungssprache die Frage der Sendung beantwortete. Zuvor hatte er Fatih Tingals (Rechtsanwalt und Vizechef der europäisch-türkischen Demokraten) Argumentations-Muster beschrieben: "raffiniert, aber durchschaubar" - das waren: eine gemischte Zensur: gut und mangelhaft zugleich und die lebendige Illustration der Lust, andere zu belehren. Wenn man sich diese in einer TV-Sendung verteilten Zensuren als regelmäßige (kumulierende) Alltagserfahrungen vorstellt, kann man sich gut vorstellen, weshalb die Bürgerinnen und Bürger türkischer Wurzeln sich bei uns unwohl fühlen.

Die Sendung Hart, aber fair war eine Sendung der Heuchelei. Welcher Frust steckt dahinter? war die Ausgangsfrage. Aber die Antwort zu explorieren interessierte nicht sehr. Stattdessen wurde sie projektiv verschoben: auf die seltsame Frage nach einer Art doppelter Sympathie, für die es den offenbar eindeutigen Beleg der zwei Pässe gibt. Anders gesagt: was bei uns kränkt und abstößt wurde verlagert auf die Frage: warum wollt ihr Erdogan und damit die Unfreiheit wählen? Die Frage zum bundesdeutschen Selbst-Lob. Außerdem haben die Bürger türkischer Wurzeln, die in der Bundesrepublik leben, diese Frage schon längst beantwortet. Deshalb wurde in der Sendung der falschen und projektiv adressierten Töne heftig gestritten - der Subtext war: auf die Bundesrepublik lassen wir nichts kommen und kritische Töne wollen wir nicht hören; außerdem hören wir Türken, die Deutsch sprechen, ungern. Über Projektionen lässt sich herrlich heftig streiten. Dabei hätte Frank Plasberg nur an die (für uns) katastrophale Manifestation des Ressentiments türkischen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber erinnern müssen, die sich in den Ermittlungs-Hypothesen der mit der Aufklärung der Serien von zehn Morden befassten Behörden artikulierte (s. meinen Blog vom 13.12.2011). Hart, aber fair vom 13.3.2017 war die Sendung eines tief ambivalenten Interesses. Der unfaire Lehrer, der Erwachsene maßregelte, wurde nicht in seine Grenzen verwiesen. Offenbar ist es schwer, einen Minister an die Fairness und an den Takt zu erinnern.  

Mittwoch, 8. März 2017

Erdogan für Trump?

Kann es sein, dass die gegenwärtige, tüchtig kursierende, mediale Aufregung und Empörung über die miserabel adressierten Vorwürfe einiger türkischer Regierungsmitglieder - besser kann man nicht daneben liegen als mit der braunen Metapher vergangener deutscher Herrschaft, mit der unsere skrupelöse, gehemmte Regierung bedacht wird - die tiefe Beunruhigung verdecken sollen, die von der U.S.-Regierung ausgelöst wurde mit ihrer Ankündigung einer mächtigen Rolle rückwärts? Ich sitze hier 600 km entfernt von Berlin - aber höre nichts von unserer Regierung, wie sie sich zu wappnen gedenkt. Wohl wird Hamburg präpariert für den künftigen Auftritt der (G 20) Regierungen. Dabei versucht die U.S.-Regierung, die Welt auf ihren (schwer vergitterten) nordamerikanischen Kopf zu stellen. Das würde Wolfgang Schäuble, unser Empörungs-, Ordnungs- und Anstands-Spezialist, wohl nie zu sagen wagen, was er freien Herzens in die andere Richtung zu sagen wagt. Es würde auch nichts nützen. Zudem ist die selbstgerechte Empörung stets vergebene Liebesmüh'.  

Walter Röhrl ist 70 geworden

Für den früheren Rallye-Weltmeister (vierfach, wenn ich es richtig aufgeschnappt habe) ein gutes Alter. Er konnte Zentimeter-genau die kompliziertesten Strecken hinter sich bringen. Der Mann konnte und kann sicherlich (noch) exzellent Auto fahren. Aber er konnte auch für den Alltagsgebrauch gute Tipps zum Fahren geben. Den besten gab er, wie ich finde, zum Fahren auf Autobahnen: möglichst ohne zu bremsen pilotieren!  Immer mit ausreichend großem Abstand fahren, um den Wagen auslaufen lassen zu können; verzögert wird durch weit vorausschauendes Fahren; nicht gegen den Verkehrsfluss, sondern mit ihm sich bewegen. Wer sich dieses Ideal zu eigen macht, fährt cool.   

Montag, 6. März 2017

Bescheidenheit. Bescheidenheit? Bescheidenheit!

Das las ich am Samstag im Kölner Stadt-Anzeiger (4./.5.3.2017, S. 01):

"Mit dem in Kanada gebauten Edge prescht Ford jetzt in das Segment der Oberklasse-SUV vor. Zahlreiche Fahrassistenten und solider Reisekomfort sind die Stärken des Modells. Bei der Motorenauswahl muss man sich allerdings bescheiden".

Bescheiden? 
Ein Motor gehört zur Ausstattung: Vierzylinder-Diesel, zwei Liter Hubraum, 300 PS, 450 Newtonmeter Drehmoment. Was ist an diesem Motor - bescheiden? Wahrscheinlich meint der Autor die bescheidene Auswahl: es gibt keinen kleineren Motor. Der kleine Motor wäre wahrscheinlich bescheiden.  

Freitag, 3. März 2017

Neues von der Heiligen Kuh XXXXXII: sie soll von der Wiese getrieben werden

"Rußmord" titelte heute Morgen Holger Appel seinen Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (3.3.2017, S. 17) zu den Plänen, Pkws mit Diesel-Motoren bei bestimmten Schadstoff-Belastungen die Fahrt in die Großstädte zu versperren. Holger Appel findet diese Maßnahme nicht gerechtfertigt: Kohlendioxid blasen diese Motoren wenig aus ihren Auspuffen - er sagt nicht, wie viel - , Stickoxid schon. Aber mit der richtigen (teuren) Technik könnte auch dieser Schadstoff herausgefiltert werden. Mit den Diesel-Motoren, resümiert Holger Appel, ließen sich die künftigen Schadstoff-Grenzwerte viel besser einhalten, mit den Otto-Motoren nicht.

Ja, woher dann die Aufregung? Ist doch alles o.k.?

Ja, aber warum sind dann die VW-Ingenieure auf den massiven Betrug verfallen - ein paar Mark mehr hätten die Auto-Käufer doch sicherlich bezahlt. Ja, warum? Der Betrug spricht auch eine Sprache: es war offenbar nicht möglich. Die Ingenieure haben's nicht geschafft.

Was nun? Der Tagtraum vom Auto träumt sich aus. Die verfehlte automobile Hochrüstung, von einer planlosen Verkehrspolitik, deren Tagträume durch die Republik irren,  gehegt & gepflegt, kostet ihren Preis. Es wird enorm fantasiert. Deshalb ist die saubere Verbrennung  ein Witz. Irgendwann trauen wir uns zu lachen. Deshalb ist das sparsame Auto ein Witz. Deshalb ist die unbeschränkte Mobilität ein Witz. Das Automobil ist unglaublich teuer. Es trägt weiterhein zur Klimaerwärmung teil, verdreckt unsere Luft und seine Folgekosten (Schäden, Unfälle und Tote) und seine Infrastruktur kosten unglaubliche Summen. Es gibt gut 40 Millionen Fahrzeuge. Wenn jetzt die Dieselautos nicht mehr in die Städte können, wo bleiben sie dann? Auf riesigen Parkplätzen außerhalb der Stadtgrenzen? Wer baut die Parkplätze? Wer bezahlt deren Baukosten? etc. Die Logik der Industrie ist schlicht: weiterhin mehr Autos auf die Straßen - mit elektrischem Antrieb, Computer-gesteuert und digitalisiert. Wer soll das bezahlen? Ist das Fortschritt? Die Mobilität ist ein korrumpiertes Versprechen. Sie ist buchstäblich zu teuer - sie zerstört unsere Welt. Der Abschied von der fröhlichen Mobilität Hierhin & Dorthin steht uns bevor. Die Globalisierung ist ein ähnlich korrumpiertes Versprechen und setzt die zerstörerische Beweglichkeit voraus. Der Abschied steht uns auch bevor. Die einfachsten Mittel, die den Wahn des Mobilitäts-Wachstums bremsen und die Zerstörung mildern,  sind - noch einmal gesagt: großzügige, massive Investitionen in den öffentlichen Verkehr; (möglichst) wenig individuelles Autofahren, laaangsames Autofahren (dann wird weniger rausgepustet und wir sind weniger gestresst). Das Auto ist nicht mehr das Vehikel des Fortschritts - in die Richtung eines vernünftigen Lebens. Der massive Betrug spricht seine Wahrheit aus.

(Überarbeitung: 6.3.2017)

Donnerstag, 2. März 2017

Zwei Journalismus-Lektüren (Beobachtung der Beobachter) XXXXXIV: Abwarten oder Gegenhalten?

Der U.S.-Präsident sprach am Dienstagabend vor dem Kongress.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte dessen Rede (2.3.2017, S. 10). Die Überschrift des Textes verdichtet den Tenor: "Neue Töne". Die Überschrift enthält kein Fragezeichen; der Autor des Textes bleibt in seinen nachfolgenden Sätzen skeptisch.

Amy Davidson überschrieb den Text ihres Blogs im The New Yorker (1.3.2017) mit: "The Shameless Expediency of President Trump's Address to Congress".

Neue Töne gegenüber Schamlosigkeit. Was besagt der Unterschied - wenn wir der Annahme folgen, dass er relevant ist?  Der Autor der FAZ bezieht keine Stellung; er empfiehlt das Abwarten: sollte der Präsident wieder in seinen rüden Ton fallen, sollte er an seine Diensttagsrede erinnert werden. Die Autorin des New Yorker bezieht Stellung und interpretiert den Kontext der Rede; sie empfiehlt: Wachsamkeit gegenüber falschen Tönen - Gegenhalten mit der Position des Gegen-den-Strich-Lesens.

Der Autor der FAZ fantasiert mit der Hoffnung auf eine Art happy ending. Die Autorin des New Yorker schärft die Wahrnehmung der Wirklichkeit. Die Differenz ist weitreichend; sie hat, vorsichtig gesagt, mit einem unterschiedlichen Zugriff zur Wirklichkeit und mit einem unterschiedlichen Verständnis von Demokratie zu tun. Die Differenz, das ist nun nicht neu, hat mit den unterschiedlichen Haltungen der Ängstlichkeit und der Furchtlosigkeit zu tun - des Weg-Duckens und des Aufstehens. 

Mittwoch, 1. März 2017

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXIII: die Lügen, oh die Lügen! Die hilflosen/ängstlichen Beobachter

Das stärkste Argument beim Lügen hatte meine Großmutter: Wenn das nicht stimmt (was ich gerade behauptet habe), dann will ich tot umfallen. Bislang hat Donald Trump dieses Argument nicht benutzt; er schließt seine Tiraden, worauf Jon Stewart gerade hinwies, mit der Beschwörung: Believe me! Das ist eindeutig schwächer als die Drohung meiner Großmutter. Ihren Tod wollten wir nie mit kritischen Nachfragen riskieren. Aber ihre Unverfrorenheit machte mich rasend. Jürgen Barschel, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, sagte damals (Ende der 70er Jahre) vor laufenden Kameras und offenen Mikrophonen: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Als ich das damals im Fernsehen sah und hörte, habe ich ordentlich gelacht. Als Angela Merkel 2013 nach der Sicherheit unserer Atomkraftwerke gefragt wurde, sagte sie (sinngemäß): Wenn sie nicht sicher sind, würde ich meinen Amtseid verletzen. Da habe ich auch ordentlich gelacht: es klang wie bei meiner Großmutter. Als sie sagte: Unter Freunden spioniert man nicht - musste ich auch lachen: ihre Empörung als Mittel der Lüge. Als Matthias Müller von VW grandios die Offenheit versprach, musste ich auch lachen: er sprach genau wie ein Betrüger. Und tatsächlich hat er seitdem jedes Mal gelogen, als er Aufklärung, Besserung, eine neue Kultur, ein anderes VW versprach. Das wird bei uns nicht nachgehalten - die Empörung über den Dauer-Betrug ist bei unserer sonst so Empörungs-begeisterten Öffentlichkeit empörend leis'.

Mit anderen Worten: die Lüge ist auch ein Test ihres Adressaten. Was hält man für plausibel, wahrscheinlich, möglich?  Man muss natürlich den Kontext mit berücksichtigen. Außerdem liegt man manchmal mächtig daneben. Aber die Geschichte der Kontexte hilft. Der U.S.-Präsident will seine weiße Weste behalten; er kämpft dagegen an, dass sie zunehmend fleckig wird. Je fleckiger, umso wütender schlägt er um sich. Jürgen Barschel kämpfte um die Vertuschung seiner dirty tricks,  mit denen Björn Engholm in die Defensive bugsiert werden sollte - möglich, dass Björn Engholm mit seinen tricks mitmischte. Das ist nur ein Verdacht, neulich in einem Leserbrief an die Zeitung für die klugen Köpfe aufgeschnappt. Wer weiß. Die Kanzlerin beruhigte uns mit einem schlappen Argument und schob dann einen Tag später, nachdem sie den Satz der Beruhigung zum besten gegeben hatte, das Moratorium und dann die Energiewende nach. Wie nennen wir dieses Manöver? Wieder eine Nebelkerze aus dem Lügen-Repertoire  im Dienste des Machterhalts. Matthias Müller folgt der Öffentlichkeitspolitik seiner juristischen und anderer Berater: nichts zugeben, um den Schaden klein zu halten! Das ist das übliche Verhalten bei Betrügereien: man spielt auf Zeit. Mal sehen, was kommt, sagt sich der Betrüger; sollen sie mal kommen.

Die Lüge ist natürlich ein bescheidenes Konzept mit einem mächtigen Vorwurf. Es ist ein Passepartout-Wort für eine Vielzahl von Aktivitäten. Es ist ein Aufschrei der Forderung von Aufrichtigkeit und Redlichkeit. Es berücksichtigt nicht die Wahrheit der Lüge. Außerdem impliziert es die Kenntnis der eigenen Kontexte. Seit Freud wissen wir: wir wissen von uns wenig. Aber als ein aufklärerisches Kampf-Wort ist es nicht schlecht. Der große Journalist Isidor Feinstein Stone (1907 - 1989) arbeitete mit der Hypothese: Alle Regierungen lügen - und arbeitete effektiv damit. Die Lüge zu finden, ist die gute journalistische Tradition des muckraking - des Dreck-Aufkehrens. Die Lüge ist gewissermaßen der Normalfall. Das gilt auch für unseren Alltag: wenn wir daran denken, was wir nicht sagen. Andererseits ist die Lüge hilfreich: wir können uns nicht jeden schlichten, bösartigen, beschämenden Gedanken sagen; eine Lüge schützt auch. Aber die Lüge passt nicht so recht zu unserem Journalismus, der eine Beiß-Hemmung hat - er fürchtet offenbar die zivilrechtlichen Klagen, wenn er eine Lüge öffentlich vermutet und die Vermutung als Verleumdung zivilrechtlich bestritten wird: dabei wären solche Verfahren der Klärung doch aufklärend. DER SPIEGEL zehrt noch immer vom Renommé, den widerrechtlichen Übergriff der damaligen Regierung (1962) gut überstanden zu haben.

Mein Beispiel folgt.

Über Donald Trump kann man sich einfach ausschütten. Aber so einfach ist es nicht. Vorgestern gab es in der Zeitung für die klugen Köpfe den alarmierenden Text: "So lügen Sie mit dem größten Erfolg" (27.2.2017, S. 9). Unterzeile: "Die hinterhältige Geheimdienstschule des russischen Journalismus lehrt die moderne Welt den Medienkrieg". Was ist das? Die hinterhältige Geheimdienstschule? Dabei haben doch unsere Herren in Braun, Schwarz oder Grau der Welt vorgeführt, wie man das macht. Zum Dämonisieren ist die Metapher russisch gut. Jetzt glauben wir zu wissen, was aus dem Oval Office auf uns zukommt. Kerstin Holm ist die Autorin des Textes. In ihrem letzten Satz zitiert sie  den russischen Autor Dimitri Bykow : "Aber jede Supermacht, so Bykow, erschaffe sich eben auch den ihr gemäßen Clown". Wenn es so einfach wäre: der U.S.-Präsident ein Clown. Er ist es nicht. Adolf Hitler war auch kein Clown - auch wenn Charlie Chaplin ihn so karikierte. Der Clown ist Ausdruck der Verachtung: billiges Mittel der Selbstberuhigung. Die Rückseite der Verachtung ist die erlebte Hilflosigkeit. Wir können, wenn wir wollen, ein Grundgefühl der  30er Jahre bei uns nachschmecken - auch wenn die demokratischen Institutionen in den U.S.A. stabil sind. Aber wer weiß? Im neuesten The New Yorker (27.2.2017, S. 22) schrieb George Packer: "If Trump were more rational und more competent, he might have a chance of destroying our democracy". Er macht viel Arbeit. Die kritische U.S.-Öffentlichkeit muss gegenhalten und ihn (und seine wilden Berater) von Fall zu Fall, Satz für Satz widerlegen. Anders geht es nicht. Lügen ist nicht so sehr das Problem - erst wenn wir sie zur Wirklichkeit werden lassen, weil wir ihnen nicht genügend widersprechen.