Dienstag, 21. März 2017

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXVII: eine stilistische Nickligkeit

Texte schmuggeln einem hier & da die Klischees, die Vorurteile oder Ressentiments in den Kopf mit kleinen, bescheidenen Mitteln - ich merke es daran, dass mir irgendein Satz oder Satzteil nachgeht. Ein Beispiel. Martin Schulz wurde am Wochenende mit einer 100-prozentigen Mehrheit zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet darüber (20.3.2017, S .2); der Autor ist Mahjid Sattar. Er beschreibt die Rede von Martin Schulz am Abend dieses Erfolgs. Ich zitiere einen Satz:

"Dann bettet er seine persönliche Aufstiegsgeschichte mit belegter Stimme in die Historie der ältesten Partei Deutschlands ein, einer Partei, darauf weist er zur Verortung des Tages hin, welche die Demokratie in Deutschland erstritten, das Frauenwahlrecht erkämpft und sich dem Nationalsozialismus in den Weg gestellt habe, einer Partei auch, die in der DDR verboten gewesen sei".

Nachgegangen ist mir die adverbiale Bestimmung mit belegter Stimme. 

Was soll die Formel? Rührseligkeit als Kommunikationsmittel? Oder ist Martin Schulz rührselig? Die belegte Stimme ist für mich: falscher Ton und schlechte Beschreibung - wie will man die Aufregung und Erregung, die Zuwendung und die Verpflichtung, in diesem Forum so exponiert zu werden, sortieren? Der Autor mischt sich ein; er klebt ein Etikett auf Martin Schulz.  Die belegte Stimme ist für mich auch unfair: wurde sie schon bei Angela Merkel beobachtet? Martin Schulz, der ehemalige Präsident des Europaparlaments, der jetzt einen neuen Ton anschlägt und ein großes Echo erzeugt, wird - klein gemacht: buchstäblich. Das nenne ich demagogischen Dünkel. 

(Übersarbeitung: 4.10.2019)   

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