Montag, 26. Februar 2024

"Deutschland schmiert ab" titelt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (25.2.2024). Ist es so schlimm? (Das methodische Problem des Journalismus; Beobachtung der Beobachter, 103))

Das Verbum abschmieren habe ich schon lange nicht mehr gelesen oder gehört. Ich kenne es aus dem Schülertalltag: etwas wird abgekupfert/abgeschrieben. Ein Diebstahl in Not. Wenn ein Flugzeug abschmiert, ist es in Not, und es ist unwahrscheinlich, dass der Pilot oder die Pilotin es abfängt. Aus dem Hollywood-Kino der 50er wissen wir: es klappt. Tom Cruise kann es auch. Aber die Bundesrepublik Deutschland? Abschmieren? Es gibt noch das Abschmieren im produktiven Sinne: das Auftragen & Einfetten empfindlicher Verschleißteile des Automobils. Das ist allerdings aus der Mode gekommen. Heutzutage sind die empfindlichen Bereiche verkapselt. Die Hände bleiben sauber. 

Der Autor des alarmierenden Befundes ist Patrick Bernau. Er kennt die Praxis der fettigen Hände nicht mehr. Möglicherweise ist er zuviel ins Kino gegangen. So schreibt er:  Unserer Wirtschaft geht es schlecht. Daran ist nicht nicht nur die Politik schuld. Stimmt das? Die Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr beträgt laut der Einschätzung unserer  Regierung: 0,2 Prozent. Ist das Abschmieren? Wohl kaum. Patrick Bernau hat einen Text der Besorgnis geschrieben. Warum schlägt er einen solchen Ton an?

Die Printmedien sind unter Druck. Sie sind teuer - das Jahres-Abo der F.A.Z. kostet mit der F.A.S. runde eintausend Euro - und schrumpfen. Die Konkurrenz ist enorm: Wer ist der erste mit den schlechten Nachrichten? Die journalistischen Medien sind in der Krise: sie sind eingestimmt - natürlich mit Ausnahmen - auf das miserable Votum für die Arbeit unserer Regierung. Sie lamentieren und jammern die Grundmelodie: Wir wissen nicht mehr weiter; unsere Gegenwart ist zu komplex; wir haben keine Idee von unserer Zukunft. Das methodisch gepflegte Bescheidwissen zerbröselt. Unsere Zukunft ist offen. Wer trifft die besten Entscheidungen?  Das wissen wir nicht. Wir müssen gründlich überlegen. Anders geht es nicht. Unsere schlauen Journalisten müssen die Klappe halten und nicht den Anschein Bescheid zu wissen weiter hochhalten. Das geht natürlich gegen das Geschäft. Sie sollten Fragen stellen. Das reicht.

Abschmieren wäre nicht schlecht - im übertragenen Sinne: Es ist an der Zeit, die Merkel-Jahre gründlich abzurechnen und zu verstehen, wie sie journalistisch durchgewunken wurden: wie die idiotische Alternativlosigkeit durchgehen konnte und wieso an unsere Zukunft so wenig gedacht wurde. Die Planlosigkeit der alten Regierung ist skandalös. Für deren Durchwurschteln zahlen wir jetzt. Redliche Handarbeit ist von nöten. Ohne sich die Hände schmutzig zu machen, kommt man nicht voran.  Mogeln gilt nicht. Wer sagt es? Wir warten auf die Wahrheit. Es wird teuer und ungemütlich. Eine Überholung steht an. Wer macht sich richtig schmutzig und holt sich fettige Hände?


(Überarbeitung: 8.4.2024)