Montag, 29. Januar 2024

"Wie wollen Sie die Politiker knacken, Frau Miosga?", fragte Anke Schlipp von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (vom 7.1.2024) die Fernsehjournalistin zum Studio-Wechsel am 21.Januar 2024

 

Drei Wochen ist es her, dass Anke Schlipp in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihren Text "Wie wollen Sie die Politiker knacken, Frau Miosga?" veröffentlichte (am 7.1.2024). Der Text kommt so selbstverständlich daher. Klar, Menschen sind keine Nüsse; Nüsse-knacken macht Spaß. Aber Menschen-Knacken? Politiker-Knacken?  Das Talk-Vergnügen mit den Fantasien eines Tribunals, einer  Folter, eines  Geständnisses und einer  Hinrichtung einer (im Augenblick besonders) unbeliebten, für Projektionen empfänglichen Berufsgruppe  ist ausgesprochen. Ob die Redaktion der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Schrecken bekommen hat über das veröffentliche Zugeständnis eines sadistischen Vergnügens? Und was ist mit dem Programm-Machern der A.R.D. ? Publizistische Stille (mein Eindruck). Schweigen ist eine gut dosierte Antwort.

 Wie war nun die erste Sendung Caren Miosga am 21.1.2024? Friedrich Merz, Führer der Unionsopposition im Bundestag, war der Politiker der Sendung. Er konnte sich in seinen grammatikalisch gelungenen, langen Sätzen sonnen; interpunktiert von einem freundlichen Nachfragen und Konfrontieren mit alten Sätzen, die Caren Miosga parat hatte. Eingeladen waren die ZEIT-Journalistin  Anne Hähnig und der Soziologe Armin Nassehi, der zwei Beschreibungen der  gegenwärtigen politischen Praxis beisteuerte: die Politik-Simulation und die Inkompetenz-Erwartungen. Diese beiden Beschreibungen zu diskutieren, erwies sich als schwierig. Caren Miosga verabschiedete sich in ihrer ersten Sendung Caren Miosga  von ihrem Millionenpublikum mit dieser Fehlleistung: "Ich darf mich begrüßen". Vielleicht war sie mit sich zufrieden. Geknackt wurde niemand. 


(Überarbeitung: 30.1.2024)

 

 

 


Montag, 22. Januar 2024

Die unklare Melodie der KI

Eine Vokabel, die, einmal ausgesprochen, ein Vorverständnis und gemeinsames (innerliches) Kopfnicken erzeugt, nennen die Angelsachsen: buzz word. Es leuchtet blitzartig ein, ohne daß man sagen kann, was wie einleuchtet. Es leuchtet ein, verbreitet aber kein Verständnis. Die künstliche Intelligenz. Wie funktioniert sie? Per Algorithmus. Wie? Algorithmus? Na klar. Ist eine Rechenoperation. Wie ein Rezept (man nehme...). Ein Rezept? Eine Rechenopration? Gestern las ich: 

"Start-ups verwenden Künstliche Intelligenz, um nach neuen Medikamenten zu forschen: Dann muss man nicht mehr Tausende verschiedene Substanzen testen, ob die gegen eine Krankheit wirken, so ist die Hoffnung, sondern der Computer ahnt von vornherein, welche Substanz wirken könnte" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 21.1.2024, S. 17) . 

Tolle Sache: der Computer ahnt. Das meint der Autor Patrick sicherlich nicht ernst. Aber er macht die KI  zum Passepartout-Wort für Unsinn. Wie soll die Digitalisierung vorankommen, wenn ein Journalist das buzz word so hinschludert und kein Verständnis vermittelt?

Der schlecht gelaunte, mäkelnde Reinhard Müller von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22.1.2024

Klar, als Leser kommt man nicht mit. Man kann sich nur wundern und kurz inne halten. Reinhard Müller in seinem Leitartikel auf der ersten Seite der F.A.Z. (vom 22.1.2024): Kein Ersatz für Politik ist der  Titel des kleinen Texts. Er bezieht sich auf die vielen Demonstrationen am Wochenende mit dem - sagen wir: Abscheu gegen die braune Soße. "Demokratenfront" nennt Reinhard Müller diese verabredeten Zusammenkünfte des gemeinsamen, öffentlichen Sprechens. Eine Front ist nicht zu erkennen, wohl eine Vielzahl plakatierter, unpersönlich adressierter Einsprüche. Die Demonstrationen, gibt Reinhard Müller zu verstehen, sind Herausforderungen eines Gegners, der nicht auftaucht. Lustig, nicht wahr?

Seinen Spott gibt er nicht zu. Gravitätisch schreibt er:

"Man sollte aber nicht den Eindruck erwecken, Versammlungen mit dem Gütesiegel von Staats- und Parteispitzen wären ein zwingender Widerstandsakt. Denn der setzte ja ein Unrechtsregime voraus. Das rechtzeitige Aufstehen soll offenbar das Sitzenbleiben früherer Generationen ausbügeln. Das ist anmaßend. Aber man fühlt sich gut dabei und satt. Auch das ist eine Gefahr".

 Aber man fühlt sich gut dabei und satt. Woher weiß der gute Mann das? Mit wie vielen Leuten hat er gesprochen? Sagt er nicht. Seine abfällige Bemerkung begründet er nicht. Freut er sich nicht?