Mittwoch, 22. Oktober 2025

Die Sensation, die keine Schlagzeilen machte: "Ein Jahr ohne Verkehrstote" - in Helsinki, meldete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 5.8.2025 auf ihrer Seite Sieben

 "In Helsinki hat es seit mehr als einem Jahr keine Verkehrstoten mehr gegeben. Das berichtete die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Yle in der vergangenen Woche unter Berufung auf die finnische Polizei. Hauptgrund dafür seien die Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Stadt (...): Auf mehr als die Hälfte aller Straßen gelten mittlerweile Tempo 30. Hinzukäme, dass Radwege und Bürgersteige deutlich verbessert worden seien". Zum Vergleich: "In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 2770 Verkehrstote".

Kluge, mutige Verkehrspolitik,  seit Jahrzehnten bekannt. Bei uns seit Jahrzehnten vermieden - seit Anfang der 70er Jahre. Langsam spricht sich in unserer Republik herum: unser geliebtes Automobil, die dafür notwendigen, empfindlichen Infrastrukturen, die dafür hochtrainierte, hypermuskuläre Industrie sind unser riesiger, offenbar nicht zu bewegender Klotz am Bein. Wohin damit? Ja, wohin? Unsere Regierung rauft sich die Haare und lädt zu Gipfeln ein. Rasender Stillstand.

  

 

 

 

 

 

Freitag, 11. Oktober 2024

Robert Habeck taugt nix

 Der Aufmacher der Frankfurter Allgemeine, am 10.10.2024, Zeitung für Deutschland:

"Habeck sieht trotz Rezession ein Land voller Stärken. Der Wirtschaftsminister rechnet mit einem Rückgang um 0,2 Prozent". Die Autorin ist Jutta Löhr. Die Präposition trotz macht die Melodie der Verachtung: der Wirtschaftsminister pflegt offenbar einen mangelhaften Realitätskontakt. Darüber kann man natürlich streiten. Die Rezession ist eine unscharfe Vokabel.  Sie stammt vom lateinischen recessus ab und bedeutet: Zurückgehen, Zurückweichen, Rückgang. Wodurch der Rückgang verursacht wird, sagt das hübsche Fremdwort nicht. Sind 0,2 Prozent Rückgang eigentlich viel oder wenig? Muss man sich große Sorgen machen? Der Wirtschaftsminister versucht zu beruhigen. Kann man ihm das vorwerfen?

Bezogen auf unser Bruttojahresprodukt sind 0,2 Prozent Rückgang ganz schön viel. Aber sicherlich nicht mehr als der gute zweistellige Milliardenbetrag, den VW für weltweite Strafzahlungen und Anwaltkosten aufbringen musste für den ingeniösen Wolfsburger Einfall, mit einer schlauen, leider betrügerischen Ingenieursleistung den Automobilmarkt zu erobern. Dummheit kommt vor dem Fall, sagen wir. Das trifft auf den Wolfsburger Konzern sicherlich zu. Dafür kann Robert Habeck nichts. Er kann auch nichts dafür, dass andere Autohersteller ihre Fahrzeuge ungewohnt schlecht verkaufen.

"Die Autokrise trifft BMW und Mercedes mit voller Wucht. Selbst Luxusautos finden nur noch wenige Käufer", kann man heute, am 11.10.2024, in der F.A.Z. lesen (S. 25). Jetzt ist Zahltag - für die Dummheit unserer großen Autohersteller, deren leitende Herrschaften lieber tagträumten  im Einvernehmnen mit einer saumseligen Verkehrspolitik als sich der Realität zuzuwenden. Wahrscheinlich müssen  auch die landläufigen wirtschaftwissenschaftlichen Konzepte endlich gründlich durchdacht werden. Die Idee vom gewissermaßen natürlichen Funktionieren des Marktes ist  eine enorm teure Illusion. Wir können sie uns nicht mehr leisten. Was wir uns künftig leisten können, müssen wir nüchtern diskutieren. Ohne das Vokabular des Kitsches. Erster Vorschlag: wir nehmen unsere Sprache ernst und benutzen sie nicht zum Einschlafen. Krise ist ein präzises Fremdwort aus dem Griechischen. Es bedeutet: Entscheidung, entscheidende Wendung. Entscheidende Wendung. Das hat Robert Habeck verstanden.


Freitag, 23. August 2024

Barack Obama auf dem Parteitag der Demokraten am 21.8.2024: "Yes, she can". Kamala Harris kann. Was können wir?

Das war ein zu Tränen rührender Coup des ehemaligen Präsidenten Barack Obama. "Ich bin stolz, Joe Biden meinen Präsidenten zu nennen": Barack Obama scheute auf dem Chicagoer Parteitag keine gewichtigen Worte, elegant gesprochen. Das war natürlich Klasse und beflügelte die Delegierten enorm. Das Gefühl der Lähmung angesichts des fragil gwordenen Joe Biden gegenüber dem unkontrollierten, ungeheuer grollenden Donald John Trump war verflogen, und Kamala Harris' Kandidatur die tiefe, kräftige und begründete Hoffnung auf ein Ende des MAGA- Alptraums.

Während die U.S.A.-Demokraten mächig aufleben, geht bei uns das (Hoffnungs-arme oder Hoffnungs-schwache) Mäkeln & Nörgeln weiter.  Das aktuelle Stichwort fürs öffentliche Rätseln: Übergangskoalition - eine selbstverständliche, aber dennoch sofort vernichtend ausgelegte Vokabel vom endgültig nahen Ende der Regierung.. Es ist die alte Geschichte, die immer wieder ausgeblendet wird: unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, war nie gut genug: als ein in seinem Größen-Ideal komplett deklassiertes Land (unterschiedlich) Scham-beladener Bürgerinnen und Bürger, mit ungenügend abgerechneter, unklar gebliebener Schuld, einer die Generationen bindenden Verantwortung für unsere Geschichte und mit der Sehnsucht eines diskriminierten Aufsteigers nach Anerkennung und Befriedung einer tiefen Unzufriedenheit. Damit lässt sich schlecht leben. Davon kann man sich nur langsam erholen und nur langsam eine Zuversicht gewinnen - was, wenn ich richtig sehe, eher den jungen Generationen gelingt, wie es Norbert Elias einmal (1985) imaginierte, gelassen sagen zu können: "Hitler? Ja, gewiß, das war einmal. Aber heute sind wir anders". Uns fehlt ein hoffnungsvolles Bild wie der melting pot - in dem die Differenzen über Jahrhunderte in einem äußerst schwierigen Prozess nach & nach (hier & da) eingeschmolzen werden. Im Augenblick wird in den U.S.A. die Wirksamkeit des Bildes des melting pot bestätigt & gefeiert. Leider fürchten unsere regierenden Eliten unsere braune buckelige Verwandtschaft immer noch sehr. Leider ist für Viele immer noch: Verwandtschaft ist Verwandtschaft.Aber man kann, wenn man es für richtig hält, den eigenen  Eltern & Verwandten  Adieu! sagen. Man muss sie, wenn sie nicht gut waren, nicht lieben.


(Überarbeitung: 27.8.2024)

Mittwoch, 7. August 2024

"And how often in the world do you make that bastard wake up afterward and know that a black woman kissed his ass, sent him on the road?" (Tim Walz)

Endlich. Endlich. Das Trump-Geröhre - bei uns mit lahmer Empörung & Sorge fast täglich zitiert - hat seinen verdienten Namen bekommen: "bekloppt" (meine Übersetzung des Tim Walzschen weird). Jetzt können die bundesdeutschen Redaktionen sich angewöhnen, dem Stuss eines derangierten Mannes nicht mehr die Ehre einer politischen Aussage zu erweisen. Jetzt sollten das Lügen & Krakeelen doch langsam ins Leere laufen.  

(Überarbeitung:8.8.2024)

Freitag, 26. Juli 2024

Die große Verschwendung: "Elektromobilität"

Der Plan der Kanzlerin -  bis 2020 eine Million Elektroautos für den privaten Verkehr - war planlos. Angela Merkel, immer besorgt um ihr Überleben als CDU-Kanzlerin, hatte ihren Beitrag des politischen Larifari geleistet. Gründliches Nachdenken über die Voraussetzungen und Implikationen dieses Projekts wäre nicht schlecht gewesen. Stattdessen die verschwenderische Idee des Austauschs der Antriebsform. Unglaublich teures Blech. Ging es auch ein paar Nummern kleiner mit den Mitteln und den Materialien, die wir hier haben und produzieren können? Ging es auch mit einer gut durchdachten Verkehrspolitik?

Wir erleben den vertrauten Tagtraum ein zweites Mal: nach der unerschöpflichen Atomkraft die unerschöpflichen Kräfte des Windes und der Sonne. Das Paradies der preiswerten & sauberen Mobilität (einer alten, offenbar unerschütterlichen Parxis) wartet (immer noch oder erneut, wie man es sieht). Die Fantasie der Unendlichkeit und der Unvergänglichkeit. Eine Menge Leute laufen besoffen von den Möglichkeiten der Verschwendung und Ausbeutung durch die Republik. Wenn nur nicht  die Frage der Speicherung der unendlichen Energie und der Batterien wäre. Neue Wünsche, neue Produkte, neuer Markt. Der Planet gehört weiterhin uns. Wir lassen die Sektkorken knallen. Nur können nicht Alle mittrinken.

 

(Überarbeitung: 108..2024)

Donnerstag, 25. Juli 2024

Mäkeln ist die bundesdeutsche Parade-Disziplin

Im Morgenmagazin WDR 5 hörte ich heute Morgen (25.7.2024), dass der amtierende US-Präsident in seiner Fernsehansprache nur unpersönliche Sätze zu seiner Entscheidung gesagt hätte, den Versuch, ein zweites Mal zu kandidieren, aufzugeben. Worüber hätte er noch Auskunft geben sollen? Was fehlte der Rundfunkjournalistin Brandt? Womit war sie unzufrieden? Das öffentliche Forum ist keine psychotherapeutische Gruppe. Man muss nicht persönlich werden. Man muss auch in einer psychotherapeutischen Gruppe nicht persönlich werden. Man darf sich schützen. Evan Osnos, Autor der Zeitschrift The New Yorker, kommentierte Joe Bidens Entschluss mit den Worten: "But, in stepping out of the race, he took one more step to protect the system he has devoted his life". Das war genug und sagt genug.

 

Mittwoch, 24. Juli 2024

Wo sind die Töne des Aufschreis der Erleichterung und des Auflebens über Joe Biden und Kamala Harris in unserer öffentlichen Diskussion?

Kein lauter ARD- und ZDF-Jubel über das baldige Ende des Raubaukentums von Donald John. Stattdessen ungläubige, muffelnde Skepsis gegenüber der am 20. Oktober 1964 geborenen Kamala Harris. Hat sie überhaupt Chancen? Werden die Republikaner sich dennoch behaupten mit ihrem Salonlöwen?

Werden sie nicht. Donald John Trump weiß nicht, wohin. Er fürchtet sich - ausgelacht zu werden von der erfahrenen Staatsanwältin, die angekündigt hat, den "Trump Typus" zu kennen  aus einer Vielzahl von Verfahren. Das Vergnügen am Holzhacken wird ihm vergehen. 

Aber ganz so zurückhaltend ist unsere öffentliche Diskussion auch nicht. Vor ein paar Tagen rutschte Constantin Schreiber in den ARD-Nachrichten die Formel vom missglückten Attentat heraus. Die  Fehlleistung einer vertrauten Ambivalenz. Wir kennen sie seit den 80er Jahren, als Franz-Josef Strauss und Helmut Schmidt im Bild des Boxringes von einer feixenden Öffentlichkeit aufeinander zugeschoben wurden: nicht schlecht, wenn einer einmal mit einer dicken Backe zu Boden geht. Wir können uns jedenfalls trauen, uns zu freuen über den US-amerikanischen Aufschwung an Zuversicht. Die USA bleiben die USA. Die kriegen das mit ihrer Befürchtung vor ihrer enormen ethnischen Vielfalt  demokratisch hin. Der melting pot arbeitet weiter mit hoher Temperatur.  

 

(Überarbeitung: 25.7.2024)