Dienstag, 13. Dezember 2011

Wie wirklich sind die Bilder unserer Wirklichkeiten? I

Eine unfassbare Geschichte aus Deutschland titelt die SZ heute (vom 13. Dezember 2011) die Reportage von Matthias Drobinski auf ihrer Seite Drei : "Geliebter Vater. Im Sommer 2000 erschießen die Neonazis aus Zwickau den Blumenhändler Enver Simsek. Seine Tochter Semiya ist da 14. Sie erlebt, wie der Tote nicht betrauert, sondern jahrelang verdächtigt wird. Eine unfassbare Geschichte aus Deutschland". Die Geschichte ist eine Tragödie und eine Katastrophe. Sie ist unfassbar, weil sie so vertraut ist. Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland, aber befinden uns noch in Deutschland.  Sie ist unfassbar, weil sie bestätigt, was wir befürchten uns anszuschauen: dass die wie selbstverständlich kursierenden Bilder des xenophoben, projektiven Ressentiments ein altes, weit verbreitetes, sogar von manchen Mitgliedern der Ermittlungsbehörden geteiltes Vorurteil  einer eliminatorischen Fantasie  transportieren. Deshalb sind die Rede von den so genannten Neonazis und die Anstrengung, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands zu verbieten, selbstbetrügerisch: So wird die Illusion perpetuiert, wir könnten die Vorurteilsbereitschaft und die Gewalttätigkeit leicht identifizieren; zugleich statten wir deren lärmende Propagandisten mit dem alten braun-schwarzen Glanz aus. Um ein ausreichendes Verständnis ihres Hasses kommen wir nicht herum. Vor allem sollten wir uns bei den Angehörigen der Mord-Opfer angemessen entschuldigen.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen