Donnerstag, 7. Februar 2013

Zur Selbst-Präsentation im öffentlichen Raum

Jedes Mal, wenn wir in unserem Hallenbad schwimmen waren, saß ich in der Eingangshalle und wartete auf meine Frau, die sich ihre Haare fönte. Das gab mir Zeit zu einer Art teilnehmender Beobachtung mit der Frage, wie sich die hereinkommenden Frauen und Männer mit ihren Kinder präsentieren in der Öffentlichkeit der Halle mit dem Karten-Automaten und dem mit den Karten zu bedienendem Drehkreuz. Bei dieser Minuten-kurzen Selbst-Präsentation steht viel auf dem Spiel: die Frage der kognitiven Kompetenz im Umgang mit dem Automaten, die Frage der affektiven Selbst-Regulation im Prozess der Beobachtung der Selbst-Präsentation durch einen Fremden, die Frage der elterlichen Interaktionen der Partner untereinander und mit ihren Kindern. Wer Erfahrungen mit dem Rechner hat, sieht man schnell. Die Unterschiede in der Orientierung auch. Ebenso die Unterschiede in den Interaktionen. Das letzte Mal ist mir in Erinnerung geblieben. Ein Mann, Ende 30, Anfang 40 kommt mit seinem 2 1/2 bis 3 Jahre alten Sohn in die Halle. Der Junge hat die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. Gelassen schaut er  unter dem Wollrand hervor und herum. Der Junge ist von seinen Eltern gut aufgenommen worden, denke ich mir, er scheint spannungslos, unaufgeregt auf seinen Vater zu warten, der das Billet auf der touchscreen des Automaten löst und das Geld einwirft. Kinder nehmen die Spannungen und Konflikte ihrer Eltern auf. Dieser Junge ging an den Automaten und versuchte, das Wechselgeld aus dem mit einem Plastikdeckel geschützten Fach herauszunehmen.

Der Vater ließ ihn. Er reichte seinem Jungen das geöffnete Kleingeld-Fach seines Portemonnaies. Der Junge nahm die Münzen und legte sie in das Portemonnaie. Es war ein Zusammenspiel. Kinder, die ihren Eltern häufig zeigen möchten, wie sie den Automaten beherrschen und dabei den Impulsen ihrer Eltern in die Quere kommen, werden oft - so meine Beobachtung - zurückgewiesen. Hier nicht. Der Junge konnte zeigen, was er konnte; der Vater unterstützte ihn und ermöglichte ihm das. Er trug seinen Sohn schließlich übers Drehkreuz. Sie gingen auf die schwere Eingangstür zu; auf deren Scheibe klebt das Schild mit dem Wort ziehen. Man muss schon kräftig an der Tür ziehen, um sie aufzubekommen. Der Vater ließ seinen Jungen. Der zog ganz kräftig und mit Mühe. "Aufziehen", sagte er, "aufziehen".
Ich stutzte: Kann er schon lesen? Wieso kommt er auf aufziehen? Aufziehen ist das bessere Wort für die Anstrengung des Ziehens, dachte ich. Was für ein kluger Junge. Die Eltern müssen viel mit ihm sprechen, vermutete ich. Mir ging die Frage nach: Sollte auf der Scheibe nun besser aufziehen statt ziehen kleben?    

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