Donnerstag, 7. Februar 2013

Kontext-Brüche

Gestern trat die Bundesbildungsministerin Annette Schwan in Südafrika vor die Kameras und sprach in unsere Richtung; zwei Sätze wurden von der A.R.D. ausgestrahlt und heute morgen auf der Seite Drei der SZ zitiert: "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen. Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde".
Die Sätze sind wie gemeißelt; offenbar ist dran schon länger formuliert worden. Die Sätze lassen einige Fragen offen:
1. Die Entscheidung der Universität Düsseldorf, ihr den akademischen Grad des Doktors zu verleihen, hatte sie akzeptiert. Das Problem ist, offenbar unsere Spezialität, dass der akademische Grad des Doktors Bestandteil des Namens wird, als hätte sich damit die eigene Identität, die mit dem Namen festliegt (nicht immer), irreversibel verändert.
2. Wenn ein Gremium von Fachleuten mit einem Text nicht mehr einverstanden ist, muss dessen Autor doch interessiert sein, welcher Mangel besteht. Aber die Autorin Annette Schavan ist an dem Inhalt des Einspruchs nicht interessiert. Damit maßt sie sich eine Befugnis an, die sie nicht hat.
3. Wogegen will sie Klage einreichen? Ihre Anwälte sagen: gegen die schlechte Begutachtung, gegen die "Gesetzeswidrigkeit" der Begutachtung und gegen deren Unverhältnismäßigkeit. Damit wird die
Hoheit der Universität Düsseldorf, auszubilden und relevante akademische Abschlüsse zu erteilen, eine der Implikationen der Klage, bestritten. Was ist mit den anderen Hochschulen? Und was ist mit den Schulen, die den Zugang zu den Hochschulen legitimieren? Mit ihrer Klage geht sie gegen das System unserer Ausbildung vor, das zu vertreten ihr demokratischer Auftrag ist.
4. Eine erfolgreiche Dissertation liefert eine wissenschaftliche Entdeckung oder Leistung. Welche Entdeckung oder Leistung hat sie erbracht? Die Substanz der Arbeit "Person und Gewissen" (so der Titel) steht seltsamerweise gar nicht zur Debatte.
5. Es geht um den Status, nicht um die wissenschaftliche Substanz.
6. Es geht um den Schutz der Regierung, nicht um den Schutz wissenschaftlicher Integrität.
7. Es geht um das politische Konzept des Machterhalts. Das ist nicht neu und selbstverständlich, aber erneut wird dieses Interesse getarnt mit einem Angriff auf den Ethos der Wissenschaft. Damals sprach die Bundeskanzlerin unverblümt davon, dass sie einen Politiker eingestellt hätte und keinen wissenschaftlichen  Assistenten. Das war damals die Disqualifikation des politischen und des wissenschaftlichen Berufs.
8. The show must go on. Gestern saßen  der Präsident und die Kanzlerin auf der Ehrentribüne des Pariser Fußballstadions und sahen beiden Mannschaften zu. Die beiden gaben sich fröhlich und zugetan. Der Kanzlerin konnte ich die Sorgen um ihre Bildungsministerin nicht ansehen. So etwas wirkt gespenstisch - so viel show macht mich jeck.



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