Montag, 13. Februar 2017

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXXXI: Trump-geblendet

Für unser Wort vom Elefanten im Porzellanladen haben die Angelsachsen das Wort vom bull in the chinashop - irgendwie scheint der Stier in der Redewendung mehr Lärm zu machen. Auf jeden Fall scheint die politische Kraftmeierei des U.S.-Präsidenten hierzulande Eindruck zu machen - drei Beispiele.

1. Die Entscheidung des Washingtoner Landesgerichts und drei weiterer Landesgerichte wurde in einigen Zeitungen als Niederlage des Präsidenten vermeldet. Am Samstag, den 11.2.2017, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf ihrer ersten Seite: "Trump empört über Niederlage vor Gericht".
Die Niederlage muss man sich anschauen. Hat jemals ein Fußballspieler, der vom Platz verwiesen wurde, die rote Karte als eine Niederlage bezeichnet? Ich kann mich nicht erinnern. Das wäre ja auch seltsam: eine Regel-Verletzung wird von einem Schiedsrichter mit dem Platzverweis bestraft; das ist gewissermaßen normale Spielpraxis. Wo ist also Donald Trumps Niederlage? Nirgendwo. Er wurde in die institutionalisierten Schranken der Verfassung verwiesen. Das ist allerdings nicht so normale, aber auch nicht ungewöhnliche rechtspolitische, demokratische Praxis in den U.S.A.

Die Niederlage transportiert zwei Kontexte: das demokratische Missverständnis, als wäre der U.S.-Präsident gleichberechtigt in einer Auseinandersetzung zweier Parteien. So ist es nicht: die demokratischen Regelwächter haben die Aufsicht, der der U.S.-Präsident folgen muss -  er kann natürlich den Rechtsweg verfolgen oder mit einem neuen Dekret die institutionalisierten Grenzen austesten.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hätte den Triumph der demokratischen Verfasstheit der U.S.A. feiern können: sie hält! Stattdessen, zweiter Kontext, wird die Kränkung des Präsidenten gemeldet. Natürlich ist für ihn die Abweisung kränkend. Die ist aber irrelevant im politischen Kontext. Die Meldung gibt Aufschluss über das demokratische Missverständnis der Zeitung für die besonderen Abonnenten  - und anderer Blätter, die ins gleiche Horn blasen - ; über ihre beflissene, Angst-bereite Unterwerfung und Identifikation mit dem präsidialen Aggressor.

2. "Trump will sein eigener Richter sein", ist der Titel des Textes von Friederike Haupt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (vom 12.2.2017, S.6). D'accord - das kann man vermuten. Vielleicht ist es einfacher: er will sich mit seiner Mannschaft nichts sagen lassen.  Am Ende schreibt sie:

"Den Schaden hat Amerika jetzt. Warum sollen Bürger Gerichtsurteile akeptieren, wenn der Präsident Richtern die Fähigkeit zu richten abspricht? Und wie sollen Einwanderer die amerikanische Verfassung respektieren, wenn es nicht einmal der Präsident tut?"

Apokalyptische Töne mit einem schlichten Konzept des sozialen Lernens unterfüttert. Bis ein Vater zum Vorbild seines Jungen wird, vergehen Jahre. Für den öffentlichen Kontext ist das natürlich anders. Aber auch hier verläuft der lebensgeschichtlich relevante Identifikationsprozess nicht blitzartig. Die nordamerikanische Verfasssung ist uralt und wird täglich für jedes Schulkind ins Gedächtnis gerufen - Donald Trump ist erst ein paar Tage im Amt. Blitzartig ist offenbar die Angstbereitschaft oder der kalkulierte journalistische Tonfall der Besorgnis.  Amerika erfährt die Kraft ihrer demokratischen Institutionen. Der Präsident wird begrenzt. Wenn das keine Werbung für die Verfassung und für die Verfassungsrichter ist! Und außerdem hat, was Friederike Haupt offenbar unterschätzt, The Law in den U.S.A. einen ganz anderen, sehr respektierten Klang - bei uns klingt die (leise) Verachtung beispielsweise in dem Adjektiv formaljuristisch an. 

3. In Harry Potter-Manier sprach gestern der frisch gewählte Präsident der Bundesrepublik von den Gefahren, denen die Demokratie gegenwärtig ausgesetzt wäre - wobei er vermied, den Namen Donald Trump auszusprechen, den er vor einigen Wochen als Haßprediger bezeichnet hatte. Wo ist die Zeitung, die sich dessen Lasst uns mutig sein! als den Gegen-Aufruf zur kalmierenden Umarmung vornimmt? Wer lacht über die Steinmeiersche Treuherzigkeit? Solange die demokratische Verfassung und die demokratischen Institutionen nicht demontiert sind, solange ist die Demokratie nicht gefährdet.  Allerdings muss man sich anstrengen, um deren Funktionieren zu garantieren. Klagen und  Sich-die Haare-raufen nutzen gar nichts.Der neue U.S.-Präsident wird mit seinen Versuchen der Grenz-Überschreitungen die Institutionen des Law strapazieren.  

 

(Überarbeitung: 12.1.2021)    

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