Mittwoch, 1. Dezember 2010

Es gibt sie noch, die guten Gedanken

Katrin Mörtl und Franziska Lamott sind, neben Michael B. Buchholz, die Autorinnen des glänzenden Buches Tat-Sachen. Narrative von Sexualstraftätern, die mit so genannten geisteswissenschaftlichen Verfahren wie der Konversationsanalyse, der Metaphernanalyse und der Psychoanalyse die Transkripte von Gruppensitzungen mit Sexualstraftätern durchgingen und damit den Reichtum eines qualitativen, beschreibenden Vorgehens demonstrierten. Jetzt haben sie in ihrer Arbeit Wie wird Veränderung in der Psychotherapieforschung gemessen? (Zeitschrift Psychotherapie und Sozialwissenschaft 2/2010) ihr Vorgehen gegen den neurowissenschaftlichen Konzepte-Imperialismus abgegrenzt. Sie schreiben u.a. vom "Strukturfehler der Psychologie":

"Sie begreift sich in Teilen als naturwissenschaftliches Fach, statt ihre methodische Kernkompetenz geisteswissenschaftlich abzustützen. Mithin gerät sie in Gefahr Kategorienfehler der Neurowissenschaften mit zu übernehmen, die sich in den charakteristischen Fehldeutungen der Ergebnisse von Experimenten zeigen. So kommen die Impulse der Hirnforschung weniger aus der Theoriebildung als aus bedeutenden technischen Entwicklungen, wie zum Beispiel der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Die auf diese Weise erhobenen Daten sind jedoch nicht mehr als Indikatoren psychischer Prozesse. Sie sind keineswegs die Prozesse selbst. Häufig begegnet man einem falschen Gebrauch des Ursachenbegriffs: Man spricht vorschnell von Kausalverhältnissen, obwohl die Datenlage nur Korrelationen hergibt, die selbst wiederum einer Erklärung bedürfen" (S. 10).

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