Montag, 19. März 2012

Der digitale Fortschritt ist ein Fortschritt

Heute, am 19. März 2012, lässt die SZ den Göttinger Germanisten Gerhard Lauer zu Wort kommen (S. 14). Nach dem aufgeregten Apokalyptiker Christoph Türke, der in der SZ am 5. März 2012 (S. 12) zu Wort kam, endlich eine nüchterne, informierte  Bestandsaufnahme der elektronischen kulturellen Evolution, an der wir mehr oder weniger gekonnt, mehr oder weniger befangen und ängstlich teilnehmen. Gerhard Lauers Bilanz, schnell zusammen gefasst: Eine gewisse Virtuosität, mit der die digitalen und analogen Medien benutzt und genutzt werden, ist zu beobachten. "Mehr Bücher gehen durch die Köpfe in diesen digitalen Zeiten", schreibt er, "und das nicht nur in historischer Hinsicht". Etwas später in seinem Text: "Die Digitalisierung treibt den Literaturbetrieb an, ja vielleicht vor sich her. Neben die etablierte Rezension treten die Tausenden Laienrezensionen, die mal nur Sternchen vergeben, mal nur ihre Meinung sagen, mal sich durchaus kenntnisreich mit ihrem Buch auseinandersetzen, und das ganz gleich, ob es ein Kochbuch ist, Meyers Romanzen oder Kafkas 'Urteil'".

Das enorme Bedürfnis nach Kontakt und Austausch, nach Beziehungsvielfalt und Beziehungsanregung, nach buchstäblicher Selbst-Erweiterung und Selbst-Erfahrung, das wahrscheinlich schon immer enorm war, findet jetzt seine Foren. Das demokratische Versprechen der Teilhabe wird realisiert. Der Untergang steht uns nicht bevor. Man muss den jungen oder den beweglichen (etwas älteren) Leuten etwas zutrauen, dass sie ihre Chancen gut nützen. Und selber, wenn man zur mittleren oder älteren Generation gehört, muss man sich anstrengen - mehr oder weniger - ,  Anschluss zu halten. Der Apokalyptiker dagegen klagt; er kommt nicht mehr mit; er wird ein- und überholt; der eigene Lebensbogen neigt sich; die Zukunft schmilzt - und die jungen Leuten preschen davon. So war es immer schon. Die eine Generation kommt, die andere geht. Das kulturelle apokalyptische Getöse, dieses gut bezahlte Geschäft mit der Angst vor dem Status-Verlust und dem Ressentiment gegenüber dem, was man nicht richtig versteht und nicht beherrscht, geht mir ziemlich auf den Wecker.  Chapeau bas! für Gerhard Lauer.

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