Samstag, 15. März 2014

Ausgestanden. Überstanden.

Vorläufig. Das letzte Wort hinsichtlich der Rechtskraft des Urteils vom vergangenen Donnerstag, dem 13.3.2014, hat die Münchener Staatsanwaltschaft; sie wird nächste Woche über die Frage der Revision ihre Entscheidung treffen. Inzwischen hat sich Uli Hoeneß, was ich gehofft hatte (s. meinen Blog vom 22.2.2014), entschieden, das Urteil des Münchener Landgerichts anzunehmen. Er hat sich damit, so könnte man seine Entscheidung lesen, zu seiner Identität als Sportsmann bekannt. Aber das weiß ich nicht; ich kenne seine Motive nicht. Die Vokabel vom Fehler polstert weiterhin seine Rede aus. Hat man je einen  Fußballer angesichts eines Fouls vom Fehler sprechen hören? Was man jedenfalls sagen kann, ohne in Uli Hoeneß einzudringen, ist: offenbar hat er, im komplizierten Prozess der Identitätsverdichtung von individuellem und öffentlichem Leben, seine Orientierung und seine Linie verloren. Die Protagonisten der Öffentlichkeit sind für unsere Lebenskontexte beobachtender, fantasierender und handelnder Beteiligung (an den im weitesten Sinne politischen Prozessen) unsere Delegierten; sie sind Angestellte ohne Anstellungsvertrag im Geschäft des öffentlichen Fantasierens für die weit reichenden Aufgaben narzisstischer Regulation, geteilter Identität und der Verständigung über Wünsche, Sehnsüchte und Moral. Die öffentlichen, fantasierten Beziehungen sind prekär: sie können schnell ernüchtert werden. Öffentliche, fantasierte Beziehungen erweisen sich dann als unbarmherzig, grausam, voyeuristisch und kannibalistisch. Am Freitag, dem 14.3.2014, klopfte die BILD-Zeitung mit ihrem Titel an die Fensterscheibe des Hauses von Uli Hoeneß: "Zerbricht Hoeneß am Knast-Urteil?" So etwas möchte man sicherlich nicht in aller Öffentlichkeit gefragt werden.

Eine demokratisch verfasste Gesellschaft lebt von ihrer komplexen psychosozialen Arbeitsteilung. Jetzt konnten wir sehen, wie das Münchener Landgericht in dem Verfahren mit dem vorsitzenden Richter, Herrn Rupert Heindl, das Realitätsgeschäft nüchtern und wohlwollend (abzulesen am Strafmaß) zugleich betrieb und die Regeln und die Ethik unseres institutionalisierten Lebensrahmens durchsetzte. Das Gericht ließ sich nicht von dem öffentlichen Aufschrei über die bedrohte fantasierte und idolisierte Beziehung zum Chef des bayrischen Fußballvereins beirren und bestand auf der Beurteilung der Straftat der Steuerhinterziehung. Die Printmedien und die elektronischen Medien haben einerseits den Auftrag der Klärung unserer Lebenswirklichkeiten, andererseits geben sie dem öffentlichen Fantasieren einen immensen Raum, womit sie (hier und da) einen mächtigen affektiven Mischmasch erzeugen: der bundesdeutsche Fußball  - in den 50er Jahren ein robust ausgetragenes, aber zugleich von Millionen-facher Kennerschaft begleitetes (wie Bertold Brecht einmal so schön bemerkte) Unterschicht-Vergnügen, das auch zur westdeutschen (wahrscheinlich vor allem: männlichen) narzisstischen Reparatur beitrug - ist zu einem enorm bedeutungsvollen Vehikel der Verständigung geworden über westdeutsche, bundesdeutsche und deutsche Identität, über Macht, Reichtum und Glanz: abzulesen am Stichwort: der FC Bayern München - der beste Fußballclub der Welt. Das ist die Formel für eine unserer bundesdeutschen Aufsteiger-Fantasien, auf deren Realisierung offenbar Viele bestehen. Daraus lassen sich zwei Kontexte ableiten: 1. die bundesdeutsche Identität ist fragil; 2. zur Lebenswirklichkeit gehört noch immer die Orientierung an der fairness, die wir mit dem Wort Ritterlichkeit (schwerfällig) übersetzen (was ein Hinweis darauf ist, dass wir für die demokratischen Tugenden noch keine angemessenen Worte besitzen wie die Angelsachsen mit ihren: common sense für Realitätssinn und decency für taktvolle Zurückhaltung und Anständigkeit)  -  nicht am wilden Geschäft mit der auf Hochglanz polierten bundesdeutschen Bedürftigkeit.

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