Donnerstag, 13. April 2017

Das Wort zum Einlullen XI: "Islamistischer Hintergrund"

Heute Morgen stutzte ich über die Schlagzeile der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - ja, es wird langsam langweilig mit diesem Rentnerblatt - : "Hinweise auf islamistischen Hintergrund" (24 Punkte groß, fett gedruckt). Unterzeile: "Durchsuchungen und Festnahme nach Anschlag von Dortmund. Bekennerschreiben wirft Fragen auf" (zehn Punkte groß, nicht fett).

Die große, fette Zeile wirft Fragen auf. Was ist ein islamistischer Hintergrund ? Gemeint ist die Übernahme (Identifikation, Assimilation) einer destruktiven Indoktrination. Wie funktioniert sie? Wie muss jemand sozialisiert sein, dass er oder sie sie übernimmt? Was ist der Hintergrund dieses Indoktrinations-Hintergrundes? Wie sieht seine oder ihre Sozialisation aus? Wie die Familie? Wie die Kultur und Gesellschaft als der weitere Sozialisationshintergrund der Familie? Und so weiter und so fort. Mit anderen Worten: zu jedem Hintergrund gehört ein weiterer Hintergrund gehört ein weiterer Hintergrund. Kennen wir die Hintergründe? Können wir sie differenzieren?

Wenn ich richtig sehe: wissen wir sehr wenig. Inzwischen sehen wir:  eine Sprache des Mordens spricht sich herum. Sie ist uralt. Sie scheint sich auszubreiten. Tut sie das? Wie junge Leute dazu kommen, sich auf sie zu verständigen, müsste gründlich untersucht werden. Zu befürchten ist, dass die Frage nach dem islamistischen Hintergrund schnell abgehakt wird und die Lebensgeschichten der jungen Männer und der jungen Frauen mit mörderischen Impulsen irrelevant bleiben. Heute Morgen sah ich unten auf der ersten Seite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Meldung: "Generalbundesanwalt: Amri war Einzeltäter" (zehn Punkte, fett gedruckt). War's das? Anis Amri driftete dissozial durch sein Leben und entschloss sich, mit einem Sattelschlepper zu morden. Weshalb? Was waren seine lebensgeschichtlichen Hintergründe?

Der islamistische Hintergrund ist kommunikative Kurzschrift. Er dient der Beruhigung in Pressekonferenzen, von denen dann berichtet werden kann. Haben wir etwas verstanden von fremden Lebensverhältnissen und fremdem Leid? Letzte Frage für heute: weshalb geben wir uns mit dieser Kurzschrift zufrieden?


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