Freitag, 28. Juli 2017

Angela Merkel VI: die Maut-Kanzlerin

Unsere Automobilindustrie schlingert - für sie gibt es leider kein EPS. Dessen Funktion hätte eine  vernünftige Verkehrspolitik realisieren müssen. Die gab es bei uns nicht. Immerhin wurde unter mächtigem Getöse von einigen mutigen Leute die Sicherheitsgurt-Gesetzgebung eingeführt. Das war in den 70er Jahren und ist lange her. Damals gab es die Warnung von der Begrenzheit der Öl-Ressourcen und vier so genannte Auto-freie Sonntage. Es gab eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen (auch ein Riesen-Gedöns) und eine Geschwindigkeits-Empfehlung für Autobahnen. Eine Empfehlung ist eine Empfehlung. Im deutsch-bundesdeutschen Kontext heißt das: was nicht verboten ist, ist erlaubt.  Eine Bemerkung von Wolf Zuelzer zu den möglichen Lehren aus der politischen Korruption, die mit dem Namen des Appartment-Blocks Watergate verbunden ist, aus dem Jahr 1975 (in seinem Buch Selbstzerstörung der Demokratie) geht mir nicht aus dem Kopf: "Man darf das System nicht allzu stark belasten" (S. 28). Er meinte: das demokratische System.

Man muss sich zurückhalten und sich für das Gemeinwohl bescheiden. Die Autoindustrie hat sich nicht demokratisch verhalten und sich für das Gemeinwohl nur soweit interessiert, wie es ihrem Geschäft diente. Der strafrechtlich und zivilrechtlich relevante Betrug spricht eine deutliche Sprache. Sie hat geklotzt auf Teufel komm' raus - und hat die Wünsche und Fantasien ihrer Kunden gut bedient. Im Zusammenspiel mit einer lahmen Verkehrspolitik (deren Repräsentanten gern in die großen Autos einsteigen und die Auto-Herren umarmen) und mit denjenigen Protagonisten der öffentlichen Diskussion, die sich als Lautsprecher und Vermittler der Fantasien und Wünsche verdingen und mitspielen und mitprofitieren. Dabei hat unsere Automobilindustrie - zumindest ihre leitenden Damen und Herren - im protzigen Tagesgeschäft einzukalkulieren vermieden, dass unsere Gegenwart eine Zukunft hat.

"Mit mir gibt es keine Maut", hat unsere Kanzlerin im vorletzten Wahlkampf erklärt. Die Maut kam - mit einem unsäglichen, teuren Theater. Die Theater-Vorstellung läuft noch - wahrscheinlich noch
eine ganze Weile. Sie beschäftigt eine Vielzahl von Beamten, Politikern und Journalisten, die ihre Zeit und die Zeit der die öffentliche Diskussion verfolgenden Bürgerinnen und Bürger missbrauchen für eine Wahl-taktische Farce. Sie passt zu der einzigen präzisen, weil offenbar unkontrollierten  Aussage unserer Kanzlerin - die ich kenne - : Regieren ist permanenter Wahlkampf. Der Satz ist ein demokratisches Missverständnis. Regieren ist das strapaziöse Werben für und Durchsetzen von politischer Substanz. 

Und jetzt? Hat unsere Regierung eine Idee?
Heute, am 28.7.2017, kann man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen:
"Das absehbare Ende des Verbrennungsmotors. Konkrete Termine für das Ende von Diesel- und Benzinmotoren gibt es nicht. Doch die Bundesregierung hat schon einen klaren Fahrplan".

Das Wort vom klaren Plan ist eine Lüge. Die zuständige Journalistin oder oder der zuständige Journalist refriert vage Vorhaben à la eine  Million Fahrzeuge mit Elektromotoren bis 2020, aber keinen klaren Plan.  So wird eine substanzlose Politik aufpoliert und verkauft und toleriert. Das Erstaunliche ist: diese Zeitung für die klugen Köpfe - wer immer die Politik der Redaktionen bestimmt - realisiert nicht: dass der Betrug der Automoblindustrie einen Angriff auf unsere demokratischen Institutionen bedeutet. Der Aufschrei der Maut-Kanzlerin bleibt aus. Unter Freunden betrügt man nicht. Wieso auch? Sie muss zuerst eruieren, wie die Wählerschaft betroffen ist und die Wahl-Chancen aussehen. Dass wir unsere Lebensformen dringend verändern müssen, hat sie noch nicht verstanden. Wieso auch? Sie und ihre Mannschaft sind plan- und hilflos - vor lauter Wahlkampf denken sie nur an Wahlkampf. Vielleicht ist mehr nicht drin.

(Überarbeitung: 2.8.2017)

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