Donnerstag, 25. Oktober 2018

Zu viel Diesel im Kopf - Lektüre eines Journalismus (Beobachtung der Beobachter) 75

"Diesel-Wahl" ist der Titel des Kommentars von Jasper von Altenbockum heute am 25.10.2018 auf der ersten Seite der Zeitung für Deutschland (F.A.Z., Nr. 248). Es geht um die Hessische Landtagswahl.

Der erste Satz:
"In die Umfragewerte zur Hessenwahl ist nicht nur durch die schrillen Töne aus der großen Koalition in Berlin Bewegung gekommen, sondern auch und vor allem durch das Urteil zum Diesel-Fahrverbot in Frankfurt".

Jasper von Altenbockum sollte das, was er hört (schrille Töne),  ernst nehmen: unsere Regierung ist gereizt, unruhig, ängstlich, hilflos. Deren konzeptloses Merkeln hastiger Lenkbewegungen (vor allem im Dienste des Machterhalts) geht den Leuten ganz schön auf den Senkel. Der Transformationsversuch unserer Energieversorgung war planlos initiiert worden; wie die Transformation die ambitionierte Reduktion der von unseren aufwendigen Lebensformen produzierten Umweltschäden zustande bringt,  war nicht durchdacht worden - was auch bedeutet hätte, dass wir endlich beginnen, intensiv und zügig über andere, Umwelt-vernünftige Formen unserer Lebensbewegungen nachzudenken. Stattdessen Abwarten und Aufschieben. Einem Privatmann oder einer Privatfrau, der oder die so die eigenen Lebensaufgaben anzupacken vermeidet, würde man eine Arbeitsstörung attestieren.

Das ist natürlich für den gesellschaftlichen, politischen Kontext zu einfach gedacht. Aber seit beinahe 50 Jahren - in meiner Erinnerung - haben sich die für die Erörterung und Durchsetzung der relevanten politischen Entscheidungen verantwortlichen Akteure darauf verständigt, unsere Lebenswirklichkeit zu leugnen. In den 70er Jahren wurde das Ende unserer fossilen Energievorräte und das Ende des Konzepts des Wachstums heftig diskutiert  - die Diskussion wurde abgekürzt mit der Fantasie auf die Aussicht einer buchstäblich ewig strahlenden Energiequelle. Wieso soll man sich zurücknehmen, wenn die Welt so einfach erscheint?  Seit den 70er Jahren lassen unsere Regierungen (und unsere zaghafte, Komplizen-bereite, den Hausfrieden sichernde öffentliche Diskussion) die Automobilindustrie machen, was sie will. Was will sie?

Vierrädrige Kutschen verkaufen - mit oder ohne Verbrennungsmotor. Was anderes ist ihr egal. Die Gesundheit der Leute ist ihr egal. Die Verschwendung unserer Ressourcen ist ihr egal. Was aus unserem Planeten wird, ist ihr egal. Es ist nicht nur die Autoindustrie. Welches andere Geschäft probiert, ohne die Fantasie vom (ordentlich) Gewinn abwerfenden Wachstum auszukommen? Wer denkt daran, unseren Reichtum im globalen Kontext fair zu verteilen?

Die Fragen drängen. Der  Diesel ist nicht unser Problem. Das Problem sind das Vergnügen  an der Macht der Drehmomenten starken, Turbo-aufgepumpten Motoren  und das Vergnügen an der Verleugnung unserer Lebenswirklichkeit - der Spaß an der bundesdeutschen Party, von der, wenn wir uns umsehen, bei uns eine Reihe Leute ausgeschlossen sind oder ausgeschlossen werden,  wird langsam schal.   

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