Dienstag, 19. November 2019

Die Niederländer reduzieren ihre Tempo-Limits auf Autobahnen - Unerhörtes vom möglichen Umgang mit der Heiligen Kuh (91)

Die Niederländer planen, die gegenwärtigen Tempo-Limits auf ihren Autobahnen wieder (von 120 und 130 km/h) auf 100 km/h in der Zeit von 9.00 bis 19.00 Uhr zu reduzieren.  Ihre Begründung: zur Verringerung des CO2-Ausstosses. Die neue Regelung soll im Dezember 2019 eingeführt werden.

Was ist bei uns?
So weit ich sehe: abwartendes Schweigen. Was macht unsere Regierung? Schwer zu sagen. Wie war das noch mit der Dringlichkeit der Interventionen? Angela Merkel sprach neulich bei der Präsentation des ausgehandelten Pakets an Interventionen: vom Paradigmenwechsel. Womit sie sich in ihrer Wortwahl verhob und seitdem öffentlich verstummte. Wahrscheinlich hat sie das Buch Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen vom Erfinder des wissenschaftlichen Paradigmas, Thomas Samuel Kuhn, nie gelesen.

Dabei wäre ein Tempolimit bei uns hilfreich - es müsste allerdings  mehr eingreifen: 80 km/h  auf unseren Autobahnen wären nicht schlecht. Sie würden in mehreren Hinsichten (Verringerung  von Staus und schweren Unfällen, Beruhigung des Verkehrs) helfen - wie viel müsste man sehen. Dazu brauchten wir eine Regierung, die sich vor dem Aufschrei derer, die weiterhin so fahren möchten wie bisher, nicht fürchtet. Sie müsste sich auch der veröffentlichten Meinung entgegen stellen, die so daher kommt - ich zitiere  Holger Appel von der  Allgemeinen Frankfurter Sonntagszeitung (17.11.2019, S. 41):

"Die Rahmendaten stehen. Vom kommenden Jahr an dürfen Neuwagen im Durchschnitt nur noch 95 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen, das entspricht rund vier Liter Benzinverbrauch auf einhundert Kilometer. Bis zum Jahr 2030 muss dieser Wert um weitere 37,5 Prozent sinken. Wegen Anpassungsrechnungen lässt sich das Ziel noch nicht genau vorhersagen, die Industrie wird in Bereichen um 60 bis 70 Gramm landen müssen, also zwischen 2,5 und 3 Liter Benzinverbrauch. Das ist, nach allem, was die Ingenieure bislang wissen, nicht zu schaffen".

Das ist nicht zu schaffen - was wohl die Kanzlerin dazu sagen würde?

Wir fahren einen Mercecedes C Transporter mit einem 2 Liter Benzinmotor. Wenn er warm gefahren ist - nach 80 bis 100 Kilometern - , verbraucht er bei 1500 Umdrehungen (das sind 80 km/h) knapp fünf Liter. Der Wagen ist gute 1600 kg schwer. Ein 1000 kg schweres Fahrzeug sollte die 4 Liter bei 80 km/h gut erreichen können. Was die Ingenieure bislang nicht wissen - wissen sie  nicht, weil sie nicht zugeben dürfen, dass es geht. VW hatte schon einmal ein Drei-Liter-Auto als einen Marketing-Coup präsentiert, von dem die VW-Leute wahrscheinlich annahmen, dass er nie realisiert werden und sie nie in die Verlegenheit kommen würden, einen solchen Winzling zu bauen und zu verkaufen. Mit anderen Worten: die Möglichkeit, kleine Fahrzeuge zu bauen, wurde und wird nicht in Betracht gezogen. Das Geschäft soll mit großen Autos laufen. Der CO2 Ausstoß der stattlichen Limousinen soll mit den von Elektromotoren angetriebenen Fahzeugen verrechnet werden. Eine andere Politik lassen die Herren des automobilen Geschäfts nicht gelten. Anders rentiert  das Geschäft sich nicht.

Die  Dringlichkeit, sofort etwas zu tun für die Veränderung unserer Bewegungs- und Lebensformen - jeder Tag der Passivität ist ein verlorener Tag - , ist noch nicht verstanden worden. Wir haben auch keine Öffentlichkeit, die Tag für Tag nachhält, wo wir uns befinden im Prozess der Transformation der Mobilität und der Reduktion der Treibhausgase. Unsere niederländischen Nachbarn haben die Dringlichkeit des Handelns schon seit längerem gut verstanden. Die Herren der deutschen Autoindustrie pokern. Schummeln fällt auf und macht einen schlechten Eindruck, haben sie herausgefunden. Jetzt spielen sie in der Gegenwart die Karte der besorgten Treuherzigkeit. An der Zukunft ihrer Nachfahren sind sie weiterthin desinteressiert. Sie sind gut eingestimmt auf die zähe Verleugnung der Dringlichkeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen