Sonntag, 17. Oktober 2010

Was sollen bloß die Leute von uns denken?

Gestern, am 12. Oktober 2010, machte die Süddeutsche Zeitung mit der Schlagzeile auf: Türken bei deutschen Jugendlichen unbeliebt. Das niedersächsische Forschungsinstitut hat seine Befragungsstudie - 1600 Jugendliche türkischer und 20.000 Jugendliche bundesdeutscher Herkunft - veröffentlicht. Unabhängig von der Qualität dieser Studie, die sich aus der Nachricht nicht überprüfen lässt, kann man von dem Befund die Hypothese ableiten, dass die so genannten Parallelgesellschaften aus gegenseitigen Interaktionen entstanden sind - es sind nicht nur die Familien türkischer Sozialisation, sondern ebenso die Familien bundesdeutscher/deutscher Sozialisation, die den Kontakt meiden - und dass dieser Begriff einen kräftigen, bundesdeutschen projektiven Touch hat.

So ist die enorme Resonanz verständlich, die der Autor Thilo Sarrazin erzeugt hat - er ist auch das Sprachrohr eines Ressentiments. Es ist wie immer im Leben: ist man mit den Bürgerinnen und Bürgern anderer Nationalitäten bekannt oder befreundet, schleifen sich die Vorurteile ab. Leider können wir auf solche Erfahrungen - noch - nicht zurückgreifen. Die Aufregung um den Berliner Autor sollten wir auswerten als Beleg unserer Unkenntnis türkischer Sozialisation und Kultur und als Beleg unserer Ängstlichkeit, unsere Vorurteile zu klären. In den 50er Jahren schrieen die Leute Nestbeschmutzer!, wenn jemand jemanden an dessen braune Vergangenheit erinnerte - denn was sollte das Ausland denken, wenn die Bundesdeutschen noch immer eine buckelige Verwandtschaft besaßen. Heute schreien die Leute ähnlich - denn was soll das Ausland denken, wenn die Bundesdeutschen noch immer eine buckelige Verwandtschaft haben. Dabei kennt jeder Bundesdeutsche türkischer Herkunft das bundesdeutsche Vorurteil ihr oder ihm gegenüber. Die Bürgerinnen und Bürger anderer Nationen haben auch ihre buckeligen Verwandtschaften. Verwandtschaft ist Verwandtschaft. Man kann sie und man kann sich nicht ausschließen. Wir teilen die Verantwortung, dass wir zumindest miteinander sprechen und prüfen müssen, was von unserer Weltsicht zutrifft und was nicht.        

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