Freitag, 11. Oktober 2013

Die heilige Kuh kommt nicht von der Stelle

Gestern haben, kann man in Ralf Wiegands Kommentar Komplizen des Alltags. Blitzer-Marathon in der SZ von heute, 11.10.2013 auf Seite 4 nachlesen, "14700 Polizisten an 8600 Stellen 24 Stunden lang gemessen, geblitzt, fotografiert und kassiert". Warum, fragt er, "tun sie's dann nicht öfter?" Ja, warum nicht?  "An die Autofahrer", antwortet er,  "traut sich in Deutschland keiner heran". Welcher Politiker es tut, stellt sich ins Abseits. Wir haben es eben erlebt: Sigmar Gabriel von der SPD kam mit seinem Vorschlag zum Tempo-Limit auf Autobahnen in Schwierigkeiten. Warum?

Die Antwort gibt die Kontrast-Erfahrung. Wer aus dem Ausland in die Republik fährt, sagen wir aus den Niederlanden, muss sich wappnen. Wenige Kilometer hinter der Landesgrenze geht es auf der Autobahn zur Sache: die Abstände zwischen den Fahrzeugen schrumpfen, das Tempo steigt, zum Überholen auf der linken Spur muss man sich  in den Pulk hereinzwängen, fährt man bedächtig, schießt der Hintermann auf einen zu - mit einem Wort: es wird gebolzt. Autofahren auf unseren Autobahnen ist auch ein Macht-Vergnügen - das Fest  der Ungeduld, des Vordrängens, des Status-Ausspielens, der PS-Demonstration. Im Alltag kann man sich das nicht erlauben, im Auto schon. Andererseits: ein zivilisiertes Bewegen des Autos gibt es auch; höfliches Fahren wird honoriert. Dann wird schon einmal mit einem oder mit beiden Blinkern kommuniziert.

Deshalb bin ich mit Ralf Wiegand - fast - d'accord: unsere Politiker müssten sich trauen, das Tempo des Autofahrens auf Autobahnen zu reglementieren. Dafür müssten wir sie unterstützen. Bei der Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen gab es einen Aufschrei. Bei der Einführung der Anlegepflicht des Sicherheitsgurts gab es einen Aufschrei. Bei jedem Vorhaben, eine Tempo-Begrenzung auf den Autobahnen einzuführen, gab es einen Aufschrei. Ich glaube, dass viele Autofahrer sie begrüßen würden. Es sind die, die nicht bolzen wollen oder können. Es sind möglicherweise die, die an die unglaubliche Verschwendung unserer Ressourcen denken und daran, dass wir den dicken Bolte abgeben und uns um unsere Nachbarn nicht scheren, dass wir das Sparen verlangen, aber das Prassen pflegen, dass wir an einem Produkt festhalten, das enorm altmodisch ist, dass wir die Rhetorik der Energiewende pflegen, aber nicht handeln.   

 

(Überarbeitung: 21.10.2021)

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