Dienstag, 12. Mai 2015

Die Alphabet-Suppe - synchronisierte Version

Was wäre gewesen, hätte unsere Kanzlerin in der Mitte der Woche der Empörung, im Juli 2013, zwei Monate vor der Bundestagswahl, auf die angekündigte Publikation des SPIEGEL (über die Abhör-Praxis der N.S.A.) gesagt: "N.S.A., C.I.A., B.N.D., M.A.D. - wir sind alle in der gleichen Alphabet-Suppe. Die Nordamerikaner sind unsere ehemaligen Besatzer, und wir ihre politischen Zieh-Kinder. Die machen, was sie können. Ich fühle mich nicht bedroht; Wichtiges bespreche ich nur  im ganz kleinen Kreis"? Hätten ihr Viele die fröhlich-frivole Auskunft übel genommen? Ich nicht.

Sie hätte zumindest zugegeben, ihre Kontrollpflichten vernachlässig zu haben. Geht natürlich nicht - sagten damals (vermutlich)  die Berater, das wäre ein Zeichen von Schwäche. Sie gaben - stelle ich mir vor - der Kanzlerin den rührseligen Rat, an einen Freundschaftskodex zu erinnern: das macht man nicht. 

Macht man das nicht?

Jetzt musste sie wieder eine Antwort geben. Die Süddeutsche Zeitung hat in ihrer vergangenen Samstagsausgabe (vom 9./10.5.2015, S. 13 - 15) den elektronischen Brief-Verkehr ihres Beamten mit dessen Kollegin in der Regierung des U.S.-Präsidenten veröffentlicht - ein gelungener scoop, würde ich als alter Kinogänger sagen, unterhaltsam und aufschlussreich insofern, als deutlich wird, wie ein Regierungsbeamter sich für seine Chefin die Haare raufte, weil sie im September 2013 wieder gewählt und auf keinen Fall irgendeinen Schwachpunkt präsentieren wollte, von dem ihre Berater wiederum annahmen - stelle ich mir vor -, er würde, öffentlich gemacht,  Prozent-Punkte kosten. Die Veröffentlichung des Brief-Verkehrs war sicherlich vor allem ein Redaktions-Problemfall der Süddeutschen: sie fällt gewissermaßen der bislang mehr oder weniger tolerierten, rührseligen mainstream-Politik der Kanzlerin in den Rücken und riskiert den Dissens mit ihr. Er sagt wohl etwas, gut dokumentiert, über das Problem der Macht in der Demokratie: wenn Politik zum Erhalt der Macht funktionalisiert wird. Eine Tageszeitung müsste eine Tabelle führen: links stehen die politischen Projekte, die eindeutig zum Wohle unseres Volkes betrieben werden, rechts stehen die politischen Projekte, die eindeutig zum Wohle des Machterhalts betrieben werden, in der mittleren die politischen Projekte, über die man gründlich nachdenken müsste, ob sie links oder rechts platziert werden müssen.

Das ist natürlich ein naiver Einfall. Obwohl .... möglich, dass die linke Tabelle ziemlich leer aussieht ...

Der Satz von der Alphabet-Suppe stammt übrigens aus Alfred Hitchcocks North By Northwest, einem der besten U.S.-amerikanischen Filme überhaupt - finde ich - mit dem unglaublich guten Buch von Ernest Lehman aus dem Jahre 1959. Ernest Lehman wusste schon damals ganz gut Bescheid. Woher nur? Vielleicht schaut sich unsere Kanzlerin, die leider keine Kinogängerin ist, diesen Film einmal an - natürlich nicht synchronisiert (s. meinem Blog vom 12.11.2013).

Inzwischen hat unsere Bundeskanzlerin ihre Antwort gegeben: nach bestem Wissen und Gewissen hätte  sie im Juli 2013 Stellung bezogen. Das ist nun wieder eine treuherzige Auskunft. Denn die Feststellung, dass man nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe, kann man erst dann treffen, wenn Umstände und Kontexte der Handlung geprüft worden sind. Sie folgt dem Muster, das wir kennen: Beteuern ihrer Redlichkeit. Damals, als in Fukushima die Reaktoren zu explodieren drohten,
sagte sie noch: unsere Anlagen wären sicher - sonst würde sie ja ihren Amtseid verletzen (s. meine Blogs vom 1.3. und 15.3.2011). Substantielle Auskünfte wären nicht schlecht.

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