Freitag, 22. Mai 2015

Rette sich, wer kann

Der Bundesnachrichtendienst ist eine ungewöhnliche bundesdeutsche Behörde. Der Chef Gerhard Schindler weiß schlecht Bescheid (Süddeutsche Zeitung von heute, 22.5.2015, S. 5), der Abteilungsleiter Hartmut Pauland weiß schlecht Bescheid (Frankfurter Allgemeine Zeitung von heute, 22.5.2015, S. 4). Schindler wurde im März dieses Jahres über die so genannten, von der National Security Agency zur  Überprüfungspraxis in Auftrag gegebenen und übermittelten Suchbegriffe (Selektoren)  informiert, Pauland wurde Mitte März dieses Jahres darüber informiert, dass ein Unterabteilungsleiter einen Mitarbeiter im Sommer 2013 beauftragt hatte, die Rechtmäßigkeit dieser Überprüfungspraxis (von Telefonnummern, E-Mail- oder IP-Adressen) zu überprüfen (Frankfurter Allgemeine Zeitung von heute, 22.5.2015, S. 4).

Wieso im März 2015? Die Überprüfungsanweisung der Überprüfungspraxis geschah im Kontext der Veröffentlichungen von Edward Snowden. Hartmut Pauland war, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung von heute, 22.5.2015, (S. 4), Mitglied einer "Art Krisengruppe", so die Zeitung, die zu der Zeit (Sommer 2013) gebildet worden war. Wie passt das zusammen? Gar nicht. Man kann sich leicht ausmalen, dass es in der  Behörde gewaltig summte unter der Anstrengung, eine Strategie zu finden, mit der die Verantwortlichen sich zu wappnen und zu schützen versuchten. Man kann sich auch vorstellen, dass der Chef , der seit 2012 Chef der Behörde ist, die Schutz-Anstrengungen minutiös verfolgt und kontrolliert hat.

Jetzt lässt sich erschließen, welche Strategie damals ausgedacht worden war: 1. wir, die Verantwortlichen, wissen wenig bis gar nichts, bis auf ganz wenige einzelne, untergeordnete Mitarbeiter; 2. wir haben nicht richtig verstanden, was die amerikanischen Kollegen in Auftrag gaben; 3. außerdem haben wir das, was wir überprüfen sollten, verschludert - so wurden, kann man in der Süddeutschen Zeitung (von heute) lesen, "zwei weitere riesige Bestände von Selektoren entdeckt".

Ja, wo denn? In der Schreibtisch-Schublade eines Schreibtisches in einem abgelegenen Raum, in dem nur noch die Besen und Putzeimer aufbewahrt werden? Und wie? Als USB-Speichermedium? Oder gab es mehrere? Sehr seltsam. Offenbar funktioniert diese Behörde völlig anders. Die Hierarchien sind bedeutungslos - die Mitarbeiter umgehen ihre Chefs. Die Chefs sind nicht misstrauisch. Die Chefs lassen es laufen. Etwas nicht zu wissen, ist ein vertrautes bundesdeutsches Argument. Damals, nach 1945, war der Chef der nationalsozialistischen Regierung der Hauptschuldige. Heute ist es umgekehrt. Ob jemand Gerhard Schindler gesagt hat, er solle auf den Monat März 2015 rekurrieren? Er solle sich als der unwissende Chef einer Behörde präsentieren, die sonst von der Aura der besonderen Kenntnisse lebt? Sich zu verleugnen, auch wenn es schwer fällt und einen schlecht aussehen lässt, kennen wir: es dient dem Schutz-Bedürfnis. Immerhin kennen wir jetzt einen wichtigen Monat: den März 2015. Was davor lief, werden wir hoffentlich bald erfahren.

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