Montag, 8. Juni 2015

Der Fußball ist unsere Welt

Leider.

Männer springen aufeinander, legen sich aufeinander, rasen über den Rasen mit geballten Fäusten, jubeln, triumphieren, umarmen alle (die auf dem Rasen sind), reißen sich die Trikots vom Leib, sind außer sich. Und das öffentlich-rechtliche, mit gewaltigen Gebühren finanzierte Fernsehen überträgt und überträgt und fragt die Akteure, wie sie sich fühlen.... Tränen der Rührung, Tränen der Verschmelzung, Tränen der Enttäuschung... in einem Fußballspiel kann man sein Leben verdichtet sehen, so dass man sitzen bleiben kann.

Es ist schrecklich zu sehen, wie der Rasen unser Leben repräsentiert.

Kann ich mich schlecht erinnern? Ist dieses Theater neu? Oder war es immer so? Die Fußball-Übertragungen verdecken und rhythmisieren den Alltag: nach dem Spiel ist vor dem Spiel auf der Couch. Der Fußball führt die Dramen des Lebens vor: wie Trainer und Spieler ausbrennen, weil Sport und Geschäft sich mischen; es steht so viel auf dem Spiel; der Erwartungsdruck zerdrückt das Spiel und verschleißt die Beteiligten. Triumph und Rage vermischen sich. Niederlagen sind unerträglich. Ich vermute, dass Borussia Dortmund die Niederlage in Wembley gegen den FC Bayern nicht verkraftet hat; dass die Mannschaft ihren Schwung verlor, weil sie wusste, dass sie das Tempo nicht aufrecht erhalten kann; dass Mario Götze den Wechsel nicht verkraftet hat; dass einige Spieler sich nach Brasilien nicht wieder auskurieren konnten; dass einige Spieler mit dem Druck der Erwartungen (auf das große europäische Geschäft) nicht zurecht kommen. Wie sollten sie auch? Sie sind keine Maschinen.

Heute (8.6.2015) gab es den glänzenden Text von Michael Horeni in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (S. 23):
"Die Liebe zum Fußball macht blind. Eleganz und Extraklasse: Das Finale der Champions League reißt alle hin. Dass der Dreizeck des FC Barcelona mit Lug und Trug zusammengekauft und Turin auf eine Schande aufgebaut ist? Vergessen". Gegen die Funktionäre des Vereins und gegen einige Spieler sind Verfahren zur Ermittlung von Steuerbetrugs eingeleitet.

Umberto Eco monierte das "Sportgerede", wie er  es nannte: weil es die politische Diskussion ersetzen würde. Es ist mehr: der Fußball der obersten Ligen repräsentiert die schreckliche  Lebensform des Wartens auf den lauten, nicht enden wollenden Triumph. Über wen?


(Überarbeitung: 16.6.2015)

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