Montag, 29. Juni 2015

Metaphern-Fehlleistungen

Gestern las ich in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Text zum Sieg der bundesdeutschen Frauen gegen die französischen Frauen im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Kanada. Die Überschrift des Textes: Triumph des Willens (28.6.2015). Nichts gegen die Begeisterung des Auflebens über einen Sieg. Aber der Triumph des Willens ist ein Fehlgriff. Er ist der Titel des Leni Riefenstahl-Films über den nationalsozialistischen Parteitag 1935. Der Film ist eine äußerst quälende nationalsozialistische Messe der Verschmelzung: der Chef der Partei nimmt die Huldigungen entgegen und nickt sie ab. Der Film blickt in den mörderisch-rührseligen Abgrund des deutschen Aufruhrs. Der Titel eignet sich nicht als Metapher; er ist kontamiert.

Heute fand ich in der Frankfurter Allgemeine Zeitung im Text von Reinhard Müller Wider die Barbarei
(29.6.2015, S.1) den Satz:
"Wer Mord zum Daseinszweck erhebt, der ist kein Kombattant, sondern ein Verbrecher; und wer Selbstporträts mit einem eigenhändig abgetrennten Kopf eines Opfers verschickt, der ist eigentlich ein Fall für die geschlossene Psychiatrie".

Der Autor war verständlicherweise entsetzt. Er meinte wohl: die forensische Psychiatrie. Aber auch dort wird niemand eingewiesen, der einen selbstgerechten Ekel verdient hat. Wenn man zu sehr im Affekt ist, sollte man ihn nicht herausdröhnen. Wenn man mit einer Lebensgeschichte nicht sehr genau vertraut ist, sollte man es lassen, sich einen öffentlichen Reim darauf zu machen. Mir - der gerade sein Abonnement der Süddeutsche Zeitung gekündigt hat, um es mit einer anderen Tageszeitung zu versuchen - tut der Autor damit keinen Gefallen. Ich dachte, aus der unbekannten Lebensgeschichte des Piloten Andreas L. wäre für die öffentliche Diskussion die Lehre gezogen worden, dem Einräumen des Nicht-Wissens den Vorrang zu geben.

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