Freitag, 14. August 2015

Schnelle Forschung: Elternschaft und das erste Kind

Heute Morgen in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.8.2015, S. 7, Nr. 187) der Text von Axel Wermelskirchen mit dem Titel: "Nach dem ersten Kind haben viele Eltern genug. Eine Rostocker Studie zeigt, warum Mütter und Väter sich kein zweites Kind mehr wünschen". Wie so oft passt die Ankündigung der Klärung nicht zum nachfolgenden Text.

Was ist untersucht worden? Es gibt, entnehme ich dem Text, die seit 30 Jahren laufende Langzeitstudie "Sozioökonomisches Panel" des Berliner Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das Panel besteht aus 2016 Deutschen; regelmäßig werden sie zu ihren Lebensereignissen und zu ihren Lebensverhältnissen befragt; dazu gehört auch ihre Einschätzung der Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10. Die beiden Forscher Mikko Myrskylä und Rachel Margolis haben das Lebensereignis der Geburt mit dem im selben Jahr erhobenen Wert zur Lebenszufriedenheit korreliert. In diesem Jahr sank der Wert der Lebenszufriedenheit ihrer dafür ausgewählten Befragten drastisch. Was besagt das?

Mikko Myrskylä wird dazu zitiert. "Erklärungen für das Glücksminus seien reine Spekulation",  fasst Axel Wermelskirchen dessen Aussage zum Status der Erklärung zusammen. "Aber", so lässt Axel Wermelskirchen ihn zu Wort kommen, "vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass von den Eltern erwartet wird, dass sie jetzt glücklich sind mit dem Kind. Aber das Kind bringt eben nicht nur Glück, sondern oft auch schlaflose Nächte, Beziehungsstress und finanzielle Sorgen". Woher weiß er das? Das hat er ja mit der Korrelation des Lebensereignisses Geburt und dem Wert der Lebenszufriedenheit nicht untersuchen können. Er ist Vater von drei Kindern. Er weiß, dass das erste Jahr mit dem ersten Kind ein enorm schwieriges Jahr ist, geprägt von den mächtigen Sorgen um das Gedeihen des Kindes, um das Ertasten und das Sichern des  Kontakts und um das Bilden erster Lebensrhythmen; er weiß, dass Elternschaft die Beziehungsleistung des Elternpaares ist und dass die gute Entwicklung eines Kindes im ersten Jahr ein prekärer Prozess ist. Er weiß, dass die Eltern sich im ersten Jahr auf das Kind einstellen müssen - nicht umgekehrt.

Jetzt kursiert die Aussage einer angeblich gesunkenen Lebenszufriedenheit der Eltern nach der Geburt ihres Kindes in der Öffentlichkeit. So wird mit der vermeintlichen Neuigkeit eines schlichten Befundes die Komplexität der Elternschaft verhökert.


(Überarbeitung: 23.5.2015)

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