Freitag, 6. Mai 2016

Freud, Chandler, Trump und das Magazin der Frankfurter Allgemeinen: zwei Skeptiker und zwei Trompeter des Triumphs der kapitalistischen Fantasien

"Im US-Wahlkampf 2016 lautet das Hasswort: Establishment", schreibt heute Nicolas Richter in seinem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung (6.5.2016, S.4, Nr. 104). Nicolas Richter zählt die Kandidaten Bernie Sanders, Ted Cruz und Donald Trump auf. In den 60er Jahren war das Etablishment die Zielscheibe unseres studentischen Ressentiments - damals erschien die Welt noch übersichtlich. Möglicherweise ist die Frage der Übersichtlichkeit auch eine Frage des Alters: je älter, um so konfuser wird die eigene Wahrnehmung der Welt.

Zurück zum Establishment. Ich muss etwas ausholen. Sigmund Freud hielt den Verzicht für eine notwendige, aber fragile, weil strapaziöse Kultur-Anstrengung. Raymond Chandler beschrieb die kulturelle Entleerung (der Beziehungswirklichkeiten), wenn die Kriminalität die Kultur-Anstrengung unterläuft. Jetzt haben wir den Salat. Donald Trump trompetet den Triumph des Reichtums in die weltweite Öffentlichkeit und macht die Fantasien des Reichtums vom Glitzer und Glamour zu einer Art substanzlosen, politischen Überfalls auf die demokratische Verfasstheit seiner Gesellschaft. Die Grillparty als politisches Forum. Das haben wir davon: wenn Demokratie mit Geschäft verwechselt wird, werden die Ideale im beschwipsten Gejohle entwertet. Das ist lustig, unterhaltsam - aber unerfreulich. Das geschieht aber nicht nur in den Vereinigten Staaten mit einem robusten Protagonisten wie Donald Trump, sondern auch hier bei uns. Man muss nur das (der Tageszeitung beigelegten, monatlich erscheinenden) Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung durchblättern, um den bei uns kursierenden Glitter und Glamour aufzunehmen: den ernormen Reichtum unserer Produkte - außerhalb der Reichweite der durchschnittlich gut Verdienenden, gut fotografiert, ordentlich gedruckt, im gedämpften Tonfall.

Haben wir jetzt den Salat? Das muss man sehen. Alles Klagen und Haare-Raufen nützen nichts: wir erleben die Tests der Demokratie entlang der Frage, wonach wir wie zu leben wünschen. Darf es noch ein bisschen Wachstum mehr sein? Politikerinnen und Politiker der Nachdenklichkeit werden in der ersten Reihe (die von der öffentlichen Diskussion gern beobachtet wird) benötigt. 

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