Donnerstag, 6. Oktober 2016

Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter) XXXX: die Deutsche Bank und die journalistische Idolisierung

Wie entsteht eine kriminelle Betrugskultur in einer Organisation wie der Deutschen Bank und wie breitet sie sich aus? Diese Frage stellte ich in meinem Blog vom 1.10.2016 zu Holger Steltzners Wort vom Irrtum der Deutschen Bank. Der Irrtum, schrieb ich, ist ein (freundliches) Verdeck-Wort für den kriminellen Betrug der Akteure dieser Bank.

Am 5.10.2016 legten Franz Nestler und Markus Frühauf einen Text in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (S. 21) nach; die Überschriften des Textes: "Die verlorene Wette der Deutschen Bank. Lange galt das größte deutsche Geldinstitut als vorbildlich. Nun ist das Haus Spielball von Hedgefonds und der Justiz. Wie konnte das passieren?"

Ja, wie konnte das passieren? 

Wie konnte sich eine Betrugskultur in der Deutschen Bank etablieren? Welche psychosozialen, interaktiven Prozesse führten zu dem Moral- und Realitätsverlust der Bankleute? Welche Beziehungen pflegten sie?  Dazu sagen Franz Nestler und Markus Frühauf explizit nichts. Sie sprechen im Titel ihres Textes von der verlorenen Wette. Die Wette ist ein seltsames Wort für das Bankgeschäft. Sie bestand darin, so die Autoren, die führenden U.S.-Banken im Finanzgeschäft einzuholen oder zu überholen. Die Wette wäre dann ein Unternehmensziel oder eine Unternehmensfantasie. Das Alltagsgeschäft der Bankkaufleute sieht doch so aus, dass sie das ihr anvertraute Geld bedächtig platzieren. Aber: wetten? War das Wetten die Arbeitshaltung der Bankiers? War oder ist die Größenphantasie des Mainhattan relevant? Bewegten sich die Bankkaufleute in adoleszent getönten, aufgekratzten Beziehungen?

Sie schreiben: "Die Investmentbank setzt auf kurze Entscheidungswege, um schnell handeln zu können. Dabei stehen Gewinn und Boni im Vordergrund". Sie schreiben weiter: "Es gab Warnsignale kurz nach der Übernahme von Margan Grenfell (durch die Deutsche Bank). Dort zockte ein junger Fondsmanager und scheiterte. Die Bank musste ihre Kunden entschädigen. Trotzdem wurde der neue Kurs durchgezogen. Viel zu verführerisch waren die hohen Gewinne".

Es wurde gespielt, sagen Franz Nestler und Markus Frühauf. Es wurde gewonnen. Es war zu  verführerisch. War es das? Gelegenheit macht Diebe, sagen wir. Diese Alltagsformel besagt, dass wir der guten Gelegenheit nicht widerstehen können und dissozial handeln müssen. Würde diese Alltagsformel zutreffen, könnten wir uns nicht mehr auf die Straßen trauen. Wir müssten zu Hause bleiben und uns verbarrikadieren. Mit anderen Worten: wir sind im deutsch-bundesdeutschen Zentrum demokratischer Moral, demokratischer Ethik und demokratischen Rechtsverständnisses. Was zählt?

Der Gewinn, sagen Franz Nestler und Markus Frühauf. Der Gewinn macht die Bankiers zu Opfern moralischer Inkontinenz, denen das Missgeschick passiert - unterläuft - zu verlieren. Sympathisieren sie mit ihnen? Es sieht so aus. Erfolgreiche Spieler, das ist das Problem dieser Art journalistischer Beobachtung, die den öffentlichen Diskurs kalmiert, werden idolisiert - bevor sie bedauert werden. Der Glamour des Reichtums blendet - offenbar manche handelnden und manche beobachtenden Akteure. Wie eine kriminelle Betrugskultur sich in der Deutschen Bank wieder etablieren konnte, wird eingedeutet, aber nicht plausibel beschrieben. 1946 empfahl das Office of Military Government for Germany, United States die Liquidation der Deutschen Bank, deren Leitung anzuklagen und künftig von relevanten Positionen auszuschließen. Fünfunddreißig Billionen Euro sind im "Derivate-Buch" der Deutschen Bank, so Franz Nestler und Markus Frühauf, aufgelaufen - offene, unklare Kreditgeschäfte, die die Bank mit anderen Banken unterhält, weshalb die Deutsche Bank enorm bedroht ist und das Finanzsystem bedroht. Kleine Brötchen, wie es der Bundesrepublik gut gestanden hätte, wollte und will die Deutsche Bank offenbar nicht backen. Wer will das bei uns? Wir haben noch immer kein Tempo-Limit auf Autobahnen.

(Überarbeitung: 7.10.2016)




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