Montag, 31. Oktober 2016

Ist die öffentliche Diskussion bei Donald Trump mit ihrem Latein am Ende?

Nein.
Obgleich die Washington Post heute (31.10.2016) den Kommentar von Paul Waldman ins Netz stellt - sein Titel: Trump's history of corruption is mind-boggling. So why is Clinton supposedly the corrupt one? Paul Waldman wundert sich sehr: Hillary Clintons Vergehen - strafrechtlich ungeklärt -  wird im Detail recherchiert und ausgebreitet; Donald Trumps Liste strafrechtlicher Vergehen ist unglaublich lang - und wann immer eins ans Tageslicht kommt, verschwindet das öffentliche Interesse an Klärung schnell und leise. Wieso?

Ja, wieso? Dessen Liste ist enorm lang. Renommierte Zeitungen und Zeitschriften der Vereinigten Staaten beziehen Stellung gegen den Präsidentschaftskandidaten. Psychiater erörtern Diagnosen der Persönlichkeitsstörung von Donald Trump. Der Autor eines Donald Trump idolisierenden Buches bedauert seine Autorenschaft; in der Zeitschrift The New Yorker bereute er seine Anstrengung eines salonfähigen Make-ups für diesen Mann. Republikanische Politikerinnen und Politiker beziehen ebenfalls Stellung und raten ab, ihn zu wählen; manche ziehen allerdings ihr Votum zurück und machen eine Kehrtwende. Erstaunlich.


Ist das erstaunlich? Wie soll das enden? raufte sich heute Morgen der Kommentator der Zeitung für die klugen Köpfe (21.10.2016, S. 8) den Kopf. Hier ein paar Gedanken gegen die Ratlosigkeit.

1. Die öffentliche Diskussion erreicht nicht die kursierenden Affekte, die das Vergnügen an der Entdifferenzierung ausmachen: das gestattete Besoffensein ohne besoffen zu sein; statt Sprechen: Grölen; statt Argumente: das zweifelsfreie Behaupten der eigenen Wahrheit; statt Dialog: Monolog; statt Erörterung: die endlose, repetive Klage über die Ungerechtigkeit der Lebensverhältnisse und das an einem verübte Unrecht. Das Vergnügen an der aggressiv präsentierten Entdifferenierung muss ernst genommen werden als die normale Krise der Demokratie; die Fortschrittsbewegungen überfordern und schließen aus; das Gefühl oder die Lebenstatsache von Exklusion - das noch nicht ausreichend eingelöste demokratische Versprechen der Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger  - ist das Problem. Aber wahrscheinlich ist das Wort von der Krise der Demokratie die Vokabel eines Ängstlichen - ohne heftigen Streit, der leider nicht das Niveau eines Oberseminars hat, ist das Überleben unserer demokratischen Staatsform nicht zu haben; Veränderungsprozesse sind normalerweise äußerst strapaziös. Das Klagen ist unproduktiv. 2. Donald Trump ist die öffentliche Figur, in der die medial aufgeblasene und auf Hochglanz polierte Kultur des Anhimmelns - wer hält sich dabei zurück? - mit ihrer ständig begafften Konkurrenz um die Repräsentationen von Macht, Reichtum und Schönheit kulminiert und ihren Protagonisten gefunden hat. 3. Die journalistischen Narrative der Empörung bedienen die Abscheu und das Vergnügen. Das ist das Problem der Massenmedien. 4. Rabauken als Delegierte der Entdifferenzierung sind vor der strafrechtlichen Verantwortung nicht geschützt; ihre Vergehen müssen präzis ermittelt werden und, wenn nötig, bestraft werden. 5. Der institutionalisierte Rahmen der demokratischen Verfassung hält das Vergnügen an der Entdifferenzierung aus. 6. Sollte der Präsidentschaftskandidat Präsident der Vereinigten Staaten werden, wird er sich dem Amt fügen müssen.

(Überarbeitung: 2.11.2016)

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