Mittwoch, 22. August 2018

Gemerkel 4: Abwarten, wohin der Wind sich dreht

Gemerkel ist die Technik des Sichtragenlassens von dem sich durchsetzenden, öffentlich dominierenden Affekt begründeter Empörung. Gegen den Einspruch des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts, Sami A. nicht nach Tunesien auszuweisen, handelte Joachim Stamp, der
NRW-Integrationsminister, mit der Anweisung, ihn ins Flugzeug nach Tunesien zu setzen. Am Mittwoch voriger Woche verfügte das Oberwaltungsgericht Münster, die sofortige Rückkehr von Sami A. zu veranlassen. Am selben Tag (erinnere ich mich richtig?) ermahnte Herbert Reul, NRW-Innenminister, die Gerichte, nicht am Rechtsempfinden der Bevölkerung vorbei zu urteilen. Woraufhin Riccarda Brandts, die Vorsitzende Richterin des Oberverwaltungsgerichts, deutlich widersprach und die Position des Rechts zurecht rückte. Herbert Reul gelobte sofort Besserung und redete um ein Missverständnis herum. Er hatte nichts missverstanden, er hatte den ersten Grundsatz unserer Verfassung für Sami A. als irrelevant erklärt.

Zwei Tage später ermahnte unsere Bundeskanzlerin die nordrhein-westfälische Regierung, sich an die Gerichtsbeschlüsse zu halten. Ihre Ermahnung, sich an die Tischregeln zu halten, kam zwei Tage zu spät und war, wie so oft, wenn es um ihr Demokratie-Verständnis geht, deplaziert und überflüssig. Herbert Reul hatte unseren Grundsatz der Würde des Menschen missachtet. Das hätte sie sofort monieren müssen.  

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