Donnerstag, 21. Februar 2019

Eine Hypothese zur bundesdeutschen (panischen) Gereiztheit angesichts von: Klimawandel/Energiewende/Grenzwerten/Fahrverboten/Dieselbetrug/Elektromobilität/ fahrerlosen Autos/Flugtaxis

Der Airbus 380 wird in ein paar Jahren - von 2021 ist die Rede, aber wer weiß? - nicht mehr gebaut. Geplatzte Riesenträume nannte Christian Schubert seinen kurzen Kommentar-Text, Ende eines Irrtums seinen langen Text (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.2.2019, S. 1 und S. 3). Jetzt ist es leicht, die Leute von Airbus zu verachten oder zu verspotten, weil man sich besonders schlau dünkt - hinterher weiß man manches besser. Vielleicht, vielleicht. Denn das Hinterher haben wir noch längst nicht hinter uns: wir sind mitten drin. Vielleicht wird das Riesenflugzeug doch noch gebraucht - dann, wenn Flugreisen rationiert und nur gestartet werden, wenn die Flugzeuge auch ausgebucht sind...

Worin bestand denn der Irrtum? In der Überschätzung des Konzepts Wachstum -  als irgendwann in den 90er Jahren (wann, weiß ich nicht) mit der Planung dieser Milliarden-Investition begonnen wurde? Damals gab es sicherliche plausible Begründungen. Das Konzept Wachstum ist aber, wenn wir uns umsehen und umhören,  nicht widerlegt. Es gilt weiterhin als tragfähig. Die Airbus-Leute haben sich bloß geirrt, heißt in der F.A.Z.

Dass das Konzept Wachstum ein ausgelatschtes Paradigma darstellt, weiß doch jeder. Oder nicht? 1977 veröffentlichte Fred Hirsch, damals Professor für Internationale Studien an der Universität Warwick, seine Arbeit Social Limits to Growth. Wachstum  ist nicht nur ein ökonomisches Konzept  - im Augenblick mit der düstereren Aussicht einer Steigerungsprognose von einem Prozent - , sondern auch ein Versprechen der Grenzenlosigkeit: wenn es läuft, läuft es grandios. Wachstum, so gesehen, lebt von der Fantasie weit reichender Lebensmöglichkeiten und animiert zum Verleugnen und zum Ausblenden der Frage: wo wollen wir mit den Ausgeburten unserer maßlosen Produktivität hin?

Die Bewohnbarkeit unseres Planeten schrumpft und schrumpft - hat neulich Bill McKibben erneut beschrieben (The New Yorker, 26.11.2018, S.  46 - 55: Life on a Shrinking Planet). Schöne Aussichten kann man da nur sagen - vor allem für die jungen Generationen. Es wird knapp.  Die Stadt Basel hat sich jetzt auf eine (gesetzlich nicht bindende) Resolution verständigt, dem Klimawandel höchste Priorität einzuräumen. Was machen wir?

Es wird weiterhin vom Wachstum fantasiert. Was ist mit: Einhalten und Nachdenken? Die Energiewende ist das unser geläufiges Verdeckwort für die enorm komplizerte Transformation unserer Energieversorgung - wir müssten gründlich nachdenken über die notwendige, relevante Korrektur unserer Lebensformen, wozu auch unsere Lebenswünsche und Lebensbewegungen gehören. Energiewende suggeriert die schnelle (korrigierende) Lenkbewegung, keine grundlegende Veränderung. Landauf, landab wird das Verdeckwort repetiert - als eine Formel der Beruhigung. Gleichzeitig wird als Begründung der Klimawandel eingeschoben und an die Klimaziele mittels Grenzwerte erinnert - um sie später fallen zu lassen, wie wir das von den guten Vorsätzen am Jahresbeginn kennen: die routinierte Beruhigung des schlechten Gewissens.  

Energiewende verspricht die kurzfristige, schmerzlose Korrektur und unterstützt das Weiterfantasieren der bundesdeutschen Lebenswünsche und Lebensformen. Die Angelsachsen haben dafür die Redewendung: you can't eat the cake and have it. Aber wir können das oder wir schaffen das - sagt unsere Bundeskanzlerin. Aber wir scheinen den Realitätskontakt zu verlieren. Wer rechnet unsere Lebenswünsche durch und unseren Lebensbedarf aus?  Heute dekliniert Georg Cremer die Komplexität der Kosten für unsere Sozialsysteme durch (F.A.Z. vom 24.2.2019, S. 6: Wohltätiger Staat ja, lästiger Staat nein?) Ist das gern gesehen? Welche Konzepte folgen daraus? Haben unsere Bundeskanzlerin, die ihre promovierte Physikerin-Identität behauptet, und ihre Mannschaft ein Konzept? Vielleicht ist das von Svenja Schulze, unserer Bundesumweltministerin, vorgelegte Bundesklimaschutzgesetz der mögliche Rahmen für ein Konzept - das allerdings umstritten ist innerhalb der Koalition und möglicherweise keine Chance hat, zu einem Gesetz zu werden (F.A.Z. vom 22.2.2019, S. 17). Vernünftig wären beispielsweise Konzepte, die organische Prozesse einsetzen - wie Klaus Wiegandt, der (wie Harald Welzer im Kölner Stadt-Anzeiger vom 23./24.2.2019, S. 4, schreibt) auf die "Trias aus (Regen-)Waldschutz, Renaturierung degenerierter Wälder und großflächiger Wiederaufforstung" setzt mit dem Ziel: "Zeit kaufen, Co2 durch Wälder absorbieren, um den Umbau zu einer postfossilen Weltwirtschaft überhaupt zu ermöglichen". Die Kosten hierfür: 140 Milliarden Dollar pro Jahr.

Das ist viel Geld. Verglichen mit den kursierenden Hauruck-Schnapsideen und den Wende-Manövern hastig betriebener Energie-Wechsel wahrscheinlich gut angelegt. Elektromobilität im weltweiten Zuschnitt, nicht abgestimmt auf ein Konzept anderer Mobilität und anderer Energie-Versorgung, ist eine Schnapsidee. Die fahrerlose Mobilität, die uns wie auf Schienen fahren lässt, und vom baldigen Austausch der individuell gesteuerten Fahrzeuge fantasiert, ist eine Schnapsidee:  angetrieben werden sie von Elektromotoren mit Batterien, von denen wir nicht wissen, wie & wo sie millionenfach produziert werden können und wie sie sich bewähren werden, aufgeladen an Millionen Steckdosen, von denen erst ein paar existieren. Die Maut ist eine Schnapsidee  - und die über unseren Köpfen schwebenden Flugtaxis, die unsere Mobilität beschleunigen sollen, sind eine Schnapsidee.  Was uns diese Schnapsideen kosten, wissen wir nicht.  Unsere Fantasien heben ab und rotieren gewaltig mit zentrifugaler Kraft. Kein Wunder,  dass wir in eine Art panischer Gereiztheit  stecken.

(Überarbeitung: 25.2.2019)

 



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