Freitag, 16. August 2019

Angst is Just Around the Corner - Lektüre des Journalismus 90

Heute Morgen (15.8.2019) las ich:

"Die deutsche Wirtschaft ist geschrumpft. Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in seiner
Schnellschätzung bekanntgab,  ist das Bruttoinlandsprodukt, also des Wertes aller hierzulande produzierten Waren und Dienstleistungen, saisonbereinigt um 0,1 Prozent geschrumpft. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hatte die Wertschöpfung noch um 0,4 Prozent zugelegt" (F.A.Z. vom 15.8.2019, S 15, Nr. 188).

Drei Sätze und zweimal der Gebrauch des Verbums schrumpfen. Die Differenz beträgt ein halbes Prozent. Ist das Schrumpfen? Wann benutzt man das Verbum?  Der Blick in den Kluge - unser  etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache - lehrt: Schrumpfen hat mit verschrumpelt zu; es machte sich im 17. Jahrhundert breit und verdrängte schrimpfe und schrampf; 1532 verwandte Martin Luther noch verschrumpffen. Was sagt uns das? Schrumpfen mit seiner Wort-Bedeutung von verschrumpelt impliziert einen ziemlichen Alterungs- oder Verfallsprozess.  Eine Abweichung von einem zehntel Prozent ist dann doch kein Schrumpfen. Wobei aus dieser Meldung nicht hervorgeht, auf welchen Zeitraum sich die Verminderung von 0,1 Prozent bezieht. Das Wiesbadener Statistische Bundesamt benutzt übrigens in seiner Pressemitteilung die Formel: etwas abgeschwächt. 

Schwankungen sind bei den riesigen Wert-Mengen des Bruttoinlandsprodukts, da muss man kein Fachmann sein, zu erwarten. Was will uns dann die Redaktion der Zeitung für die klugen Köpfe mitteilen? Eine Stimmung - eine Sorge, eine Furcht, eine Angst. Das ist schlechte journalistische Politik. Die Redaktion müsste sagen, was sie meint. Orakeln ist nicht hilfreich.

P.S. Der Titel dieses Blogs ist geklaut. Love is just around the corner ist der 1934 publizierte Song
von Lewis E. Gensler (Komposition) und Leo Robin (Text).

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