Mittwoch, 28. August 2019

Zum Wert von Umfragen: "Nur jeder vierte Manager denkt regelmäßig über Moral nach" - Lektüre des Journalismus 91

So stand es am 28.8.2019 in der F.A.Z. (S. 18, Nr. 199).  Na, das sind doch Sachen! Das Geschäft (das Interesse und die Politik einer Firma oder Organisation) dominiert die berufliche Praxis. Wer hätte das gedacht! Oder etwa nicht? Der Befund ist natürlich mehrdeutig. Drei Viertel der Manager müssen vielleicht gar nicht darüber nachdenken, weil sie sich bei ihren Entscheidungen im Einklang mit ihrer Moral oder der Moral ihrer Firma befinden. Bleibt nur die Frage: welche Moral?

545 Manager waren an der Umfrage beteiligt, "fast alle davon gehören zur oberen oder mittleren Führungsebene".

Das ist eine schlichte Mitteilung der Zeitung zur Stichprobe der Befragten. Ist der berufliche Spielraum der Befragten zu vergleichen? Nicht so wichtig. Denn es ging ums Nachdenken. Das Nachdenken impliziert einen Konflikt (zwischen Geschäftsinteresse und Gewissensinteresse). Wie sehen die Konflikte aus? Und wie wurde schließlich gehandelt/entschieden? Darüber wüsste ich auch gern etwas. Dann wüsste ich noch gern, wie die Befragten befragt wurden - mit ausgestanzten, mit halb offenen,  mit offenen Fragen oder mit gründlichen Interviews (eine bis zwei Stunden). Wird nicht mitgeteilt. Eine Umfrage ist eben eine Umfrage ist eine Umfrage.

Durchgeführt wurde die Umfrage im Auftrag der Wertekommission und der Technischen Universität München - wer immer da tätig war. Das Fazit der Studie wird so referiert:

"Die ethische Kultur zeigt in vielen Unternehmen Deutschlands Defizite".

Defizite. Ein freundliches, unscharfes Wort für Korruption oder Korrumpiertheit. Das ist nicht neu. Der Wolfsburger Konzern ist so eine Organisation mit Defiziten. Die Frage bleibt: wie sieht die berufliche Praxis aus und wo sind die ethischen Konflikte? Dann lässt sich vielleicht die Frage beantworten: wie weit verbreitet ist die berufliche Korrumpiertheit in welchen Kontexten der Entscheidungen? Und wie siehen sie dann aus? Das zu erwartende Spektrum an durchwachsenen Entscheidungen reicht doch wahrscheinlich von strafrechtlich relevanter bis nicht so relevanter Korruption, die im Rheinland als Klüngel - als Freundschaftsdienst - durchgeht.  Mit einer Umfrage - deren Autorinnen und Autoren sich offenbar um sozialwissenschaftliche Standards nicht scherten -  bekommt man das nicht raus. Sie dient der Beruhigung: alles nicht so schlimm; bei Rot ist jeder schon mal durchgefahren. 

(Überarbeitung: 28.3.2022)   

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