Donnerstag, 21. April 2022

Zögert unser Regierungschef?

Dass unsere Regierungsmannschaft unter einem enormen Druck ihre Übereinkünfte erstreiten muss, ist keine Frage - und ein gutes Zeichen. Wie so oft sind manche Leute von der beobachtenden und interpretierenden Zunft ungeduldig und drängen und drängen mit ihren schnellen  voyeuristischen Vermutungen. Beispiel heute Morgen, am 21.4.2022 in der F.A.Z. (S. 1): die Vermutung eines Risses in der Ampelkoalition. Ein Riss! Ein Riss! Der Riss ist doch eine Alltagserfahrung: Bestätigung, Vergewisserung & Verschmelzung werden ersehnt, das Gegenteil der Fremdheit wird erfahren. Klagen über Klagen. Jetzt haben wir den zögernden Bundeskanzler. Zögert er? Das wissen wir nicht. Wir sind nicht anwesend und können nicht sehen, wie gut unsere politischen Protagonisten mit ihren Stäben planen und handeln. Olaf Scholz ist nicht Robert Habeck, der Virtuose der Differenziertheit, Verständlichkeit und Unaufgeregtheit. Es gibt keine schnellen Lösungen. Aber man muss davon ausgehen und hoffen, dass in den nationalen wie internationalen Gremien gründlich nachgedacht wird über das paradoxe Balancieren einer Kriegsbeteiligung, die keine Kriegsbeteiligung sein will. Wieder einmal wird wird das atomare Patt in Bewegung gesetzt - in einer Art prekären Balance. Schnell, wie unsere Öffentlichkeit sich auf die Affekte eines Vorwurfs verständigt, ist es dieses Mal die Empörung über das Zögern des Regierungschefs. Zögern ist die projektive Vokabel des wütenden Nicht-Wissens derjenigen, die sich ihre Nase platt drücken beim Hineinstarren in die Ungewissheit - keine Beschreibung eines sichtbaren Verhaltens. Wir wissen nicht, was die einzelnen Gremien wissen und wie sie beraten. Wir wissen nicht, wie die Wege des Transports schwerer Waffen aussehen. Wie wissen auch nicht, wie sie geliefert werden. Wir wissen nicht, wie lange die Transporte dauern. Und schließlich wissen wir nicht, wie unser Regierungschef seine Auskunftsbereitschaft einschätzt und auslegt. Wir können nur hoffen, dass erträgliche, nicht katastrophale Lösungen gefunden werden.  

  

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