Montag, 30. November 2015

Schwierige Zeiten, um einen klaren Gedanken zu fassen

"Schock führt zum Schulterschluss", schreibt Gregor Schöllgen  heute im Feuilleton-Teil der Frankfurter Allgemeine Zeitung (30.11.2015, S. 13, Nr. 278). Ein zügig aufgeschriebener Satz. Ist das so? Nach dem Schock die Umarmung des Trosts, der Beschwichtigung oder Vertuschung - je nach dem? Die Vertuschung kennen wir aus der Literatur und dem Kino: jemand verursacht einen Unfall, begeht Fahrerflucht und beginnt zu rödeln. Die Umarmung kennen wir seit dem 11. September 2001 - als politisches Konzept des Versprechens einer Reparatur. Damals versprach unser Kanzler Gerhard Schröder die uneingeschränkte Solidarität, vor ein paar Tagen versprach unsere Kanzlerin Angela Merkel jewede Unterstützung. Damals nahm Gerhard Schröder das Versprechen zurück - unvergessen: unser damaliger Außenminister Joschka Fischer, der beim Vorlegen der in New York City bei den United Nations präsentierten Foto-Belege sagte: ich bin nicht überzeugt - , heute beteiligt sich unsere Regierung beim Einsatz in einen schnell ausgerufenen Krieg gegen - ja, gegen wen? Und wo?

Der staatenlose Gegner und seine nicht sichtbaren Verbündete und Unterstützer sind das eine unübersichtliche Kriegsziel, die Koalition der kriegsführenden Gegner ist der andere unübersichtliche Verbund, der losstürmt ohne Plan. Das hatten wir schon. Die Folgen kennen wir auch. Muss das sein? Schock führt zum Schulterschluss: ist diese Logik zwingend? Schock kann auch zur Ernüchterung führen - zur Besinnung, sich zu verabreden, gründlich nachzudenken. Das sagt Gregor Schöllgen nicht deutlich (s. meinen Blog vom 29.7.2014). Sein letzter Satz in seinem Text: "Und so wird weiter improvisiert, ignoriert und wohl auch geheuchelt, bis die nächste Katastrophe zum flüchtigen Schulterschluss führt". Wie wird die nächste Katastrophe aussehen? Sicherlich nicht wie ein Wetterumschwung. So ergeben dürfen wir nicht sein. Jemand, der mitreden kann, muss gegenhalten. Unsere parlamentarischen Repräsentanten könnten gegenhalten.   

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