Donnerstag, 9. Januar 2020

Lähmung oder Leugnung? Lektüre eines Journalismus (Beobachtung der Beobachter: 95)

"Trump will keine militärische Vergeltung für iranische Angriffe", titelt heute die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihren Schlagzeilen-Lettern (9.1.2020, S.1, Nr. 7). Die Le Monde titelt: "Donald Trump joue l'apaisement avec l'Iran". Die französische Redaktion spricht von jouer: spielen. Mit anderen Worten: der U.S.-Präsident feixt und lügt in seinem Interesse. Die Frankfurter Redaktion referiert seine Ausrede und übernimmt die absurde Sprachregelung aggressiver Abrechnung und riskiert nicht, das Interesse des U.S.-Präsidenten zu vermuten.

Dabei ist das doch nicht so schwer.  Donald John Trumps politisches Programm Make America Great Again ist sein grandioses Selbst-Programm. Das Amt ist sein Mittel; Taktik und Technik lassen sich mit einem Wort beschreiben: Bulldozern. Für sein Selbst-Programm tut er alles, hatte ich neulich geschrieben (s. meinen Blog I have no prejudices - I hate everybody vom 11.9.2019 ), um es und damit seine Haut zu retten. Da er politisch planlos vorgeht, schlingert er mit seinen reparativen Manövern; je nach Manöver muss seine inkomplette Mannschaft nachträglich eine Kurs-Beschreibung hinkriegen. Offenbar kommt sie häufig zu spät, um ihm beim Lenken in die Arme zu greifen. Diese Perversion der Präsidentschaft ist nicht lustig, sondern ernüchternd, deprimierend und strapaziös angesichts der Anstrengung, gegen zu halten und zu korrigieren. Sie ist, wie Charles M. Blow,  Journalist der New York Times am 17.3.2019, schrieb: a Ticket to Hell. Man sollte also höllisch aufpassen und sich keine Illusionen machen. 

Was tut der Frankfurter Qualitätsjournalismus? Er stolziert... Seit drei Jahren: beflissen, mit Angst-bereiter Unterwerfung und Identifikation mit dem präsidialen Agressor (s. meinen Blog vom 13.2.2017: Journalismus-Lektüre: Trump-geblendet). Möglicherweise hat er zu wenig Fantasie, um diese Art politischer Perversion zu verstehen, zu wenig Aggressivität, sich zu einem nüchternen Verständnis durchzuringen, und weil er Journalismus als eine Art öffentlicher Diplomatie versteht: Leisetreten statt Konfrontieren.

Das zweite Beispiel.
"VW wandelt sich doppelt", ist der Text von Carsten Germis in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung überschrieben. Worin hat sich der Konzern zweifach gewandelt? Er forciert seine Produktion von Fahrzeugen mit elektrischen Antrieben und mit aufwändigen Software-Ausstattungen. Ist das der Wandel der korrupten Kultur? Weder hat die Leitung des Konzerns den Betrug eingestanden und aufgeklärt, noch hat sie die Kunden angemessen entschädigt - und jetzt, da die Rechtslage ihr entgegen zu kommen scheint, versprochen, die Frage des Vergleichs zu erörtern.  Ein massiver Betrug geht durch, das Gefühl für Gerechtigkeit wird verletzt, das Konzept der Wahrheit korrumpiert. Alles beim Alten. Der Konzern setzt auf die Durchsetzung seiner Größe mit Millionen Fahrzeugen und auf die (erpresste) Bereitschaft der Regierung, die Infrastrukturen (wie immer schon) zu finanzieren. Für die heutigen Staus im Berufsverkehr helfen Millionen neuer Fahrzeuge nicht.  Wie sehr die Wolfsburger Leitung zur (weiteren) Ernüchterung über unsere Staatsform beiträgt, ist offenbar nicht verstanden.

(Überarbeitung: 12.1.2020)



 

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