Mittwoch, 29. Januar 2014

"In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine..."

"Die bösen Geschichten der Nacht", ist Christian Webers Text in der SZ heute (29.1.202914, S. 16, Nr. 23) überschrieben; der Untertitel: "Schlaf-Tagebücher von 10.000 Menschen zeigen, was sie in ihren Albträumen wirklich erleben". Das wirklich erleben ist natürlich so eine Sache. Der erzählte Traum, das hat Ulrich Moser systematisiert, ist nur ein Text-Torso verglichen mit dem erlebten Traum, den wir ja schlecht erinnern und noch noch schlechter versprachlichen. Aber was soll das Adjektiv wirklich in der Überschrift? Naja, nehmen wir die einfachste Lesart: jetzt wird endlich gesagt, was in Albträumen geträumt wird. Was wird gesagt? Christian Weber referiert: "Bei Albträumen sei die emotionale Erschütterung meist so groß, dass die Betroffenen davon aufwachten und kaum noch zurück in den Schlaf finden". Wirklich? Christian Weber rekurriert auf eine kanadische Untersuchung, bei der 572 Schläferinnen und Schäfer angehalten wurden aufzuschreiben, was sie nach dem Aufwachen an Träumen erinnerten. Einzelheiten des Protokollierens und der Auswertung wurden nicht mitgeteilt.

Im dritten Band der Reihe Psychoanalysis and Contemporary Science. An Annual of Integrative and Interdisciplinary Studies (1975 in New York erschienen in der International Universities Press) wurde eine enorm gründliche und aufwändige Studie der Albträume veröffentlicht - die Autoren waren Charles Fisher, Edwin Kahn,  Adele Edwards und David Davis: Psychophysiological Study of Nightmares and Night Terrors. Die Stufe des Terrors (mit Sprechen im Schlaf, Schlafwandeln und halluziniertem und wahnhaftem Inhalt) hatte beispielsweise eine Verdoppelung oder fast Verdreifachung der Herzfrequenz zur Folge (160 oder 170 Schläge pro Minute) innerhalb von 15 bis 30 Sekunden. Sigmund Freuds Idee vom Traum als dem Hüter des Schlafes, dem die Herstellung eines Narrativs gelingt, das den oder die Schlafende schlafen lässt, ist noch immer ein tragfähiges Konzept - so lese ich das Referat der kanadischen Studie. Der Albtraum ist die Folge des Scheiterns eines schützenden Narrativs. Freuds Leistung anzuerkennen, fällt offenbar schwer. Der Mann ist wirklich lästig. Der letzte Satz des Textes: "Aber auch bei psychisch völlig unbelasteten Schläfern könnten Albträume eine Funktion haben: Sie simulierten böse Ereignisse, damit man ihnen im Wachzustand besser begegnen kann". Schön wär's, wenn wir uns im Schlaf wappnen könnten; leider sind wir den Bildern unserer Träume, die unsere Lebenssituation so verschlüsseln, dass wir im Traum nicht wissen wo wir sind, ausgeliefert; außerdem wissen wir nicht, was uns nachts erwartet. Aber vielleicht haben wir am Morgen eine Idee, wie wir unsere Ängste oder unsere schlimmsten Befürchtungen sortieren können.

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