Donnerstag, 10. März 2016

Journalismus-Lektüre XIII: ehrlich ist unehrlich

"Es ist an der Zeit", setzt Nikolaus Busse seinen Kommentar  in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (gewichtig) an, "in der deutschen Debatte über die Flüchtlingskrise ehrlicher zu werden" (10.3.2016, S.1, Nr. 59). Ehrlicher.

Kann man das Adjektiv ehrlich steigern? Wann immer jemand seinen Satz mit dem Bekenntnis ehrlich gesagt einleitet, reagiere ich misstrauisch: jetzt kommt gleich eine Unwahrheit, sage ich mir. Die Rhetorik der Ehrlichkeit verstehe ich als Technik des Einlullens. Jetzt aber zum Komparativ ehrlicher. Was ist denn damit gemeint? Liest man den Kommentar zu Ende, dann bedeutet ehrlicher: die Regierungen der Balkan-Staaten betreiben mit der Verriegelung ihrer Grenzen eine ehrliche Politik; sie handeln, unsere Regierung nicht. Letzter Satz des Kommentars: "Am Ende könnte Merkel bekommen, was sie wollte, weil auf dem Balkan gehandelt wird". Ist also die Politik der Bundesregierung - unehrlich? Und muss das nicht endlich, so verstehe ich den Autor, gesagt werden - von der Bundesregierung?

An die Politik der Rührseligkeit der Bundesregierung habe ich mich gewöhnt - aber nicht abgefunden. Die Rührseligkeit eines Journalisten, der sich nicht traut, eins und eins (Verlautbarungen und Handeln unserer Regierung) zusammen zu zählen und der sich wieder den Kopf für die Kanzlerin zerbricht, verdirbt mir das Frühstück.  

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