Donnerstag, 31. März 2016

Journalistische Empörungsrhetorik

"Blutige Ostern" ist der Titel des Kommentars auf der ersten Seite der Frankfurter Allgemeine Zeitung (vom 29.3.2016) von Klaus-Dieter Frankenberger. Als altem Kinogänger fällt mir dazu sofort der Claude Chabrol-Film "Blutige Hochzeit" (Les noces rouges ) aus dem Jahr 1973 ein. Der Titel ist tiefschwarz - ironisch. Ein durch seine Ehen gebundenes Liebespaar beabsichtigt keine Scheidungen, sondern plant die Ermordung seiner Partner. Wie dem auch sei: mit Ostern ist die Nachricht verbunden, dass in dem pakistanischen Lahore siebzig Menschen ermordet wurden. Klaus-Dieter Frankenberger: "Welch verabscheuungswürdige, niederträchtige Tat! Das Entsetzen über diese pathologische, religiös begründete (oder verbrämte) Mordlust islamistischer Terroristen findet immer neue Anlässe".

Der Abscheu versteht sich von selbst. Muss man ihn betonen? Zudem hat dieser Affekt die Rückseite eines schwierigen Vergnügens: wenn wir vor der Kino-Leinwand oder vor der Fernseh-Mattscheibe sitzen. Die Empörung ist eine allzu einfache Münze. Und was soll der Pleonasmus pathologische Mordlust? Empörung im Quadrat. Das Adjektiv pathologisch lässt uns die Nachricht nicht besser verstehen - wohl wird die Distanz der Verachtung zu den uns unbekannten Mördern vergrößert. Da sind wir dank des Autors weit weg.

Dann taucht in der Mitte des Textes noch der Satz auf: "Die Politik sucht die Terrorabwehr zu verbessern, auch international, und herauszufinden, was die Mörder antreibt, ihr Handwerk des Massenmordens zu verrichten". Was ist das Handwerk des Massenmordens? Sicherlich kein Lehr- oder Ausbildungsberuf. Der Autor schreibt und schreibt; die Soße der guten, schlechten Absicht verbreitet sich über die Tastatur.    

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