Mittwoch, 13. April 2016

Journalismus-Lektüre XIII: der Panama-Wettbewerb

Die so genannten Panama-Papers sind im Umlauf der öffentlichen Diskussion. Eine riesige Datenmenge zur Lokalisierung von Geld-Verstecken (auf Panama) und zur Identifizierung der Besitzer oder Besitzerinnen der Verstecke wurde Zeitungssredaktionen auf der ganzen Welt zugespielt; deren Journalisten werteten die Daten aus und machten sie der Welt-Öffentlichkeit zugänglich. Das ist der Triumph eines journalistischen Coups in der guten, alten Tradition des angelsächsischen muckraking - des Dreck-Aufkehrens. Die Arbeit am Coup wurde aufwändig geschützt, der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung geplant, die Metapher erfunden: die Panama-Papers. Seit einer guten Wochen erhalten wir nun täglich eine Ration davon.

Ist das nun schlecht oder gut? Muckraking erfüllt die noble Aufgabe der für eine demokratische Gesellschaft notwendige Kontrolle der Macht-Verhältnisse. Muckraking festigt die wirtschaftliche Position der beteiligten Zeitung. Was ist mit der nicht beteiligten Zeitung? Bei uns liefert die Süddeutsche Zeitung die Panama-Portionen; die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sind davon ausgeschlossen. Am vergangenen Sonntag (10.4.2016) war dort zu lesen (S. 49) im letzten Satz:

"Erst wenn die Wucht des journalistischen Coups abgeklungen ist und sich die konkreten politischen und juristischen Resultate der Aufdeckung zeigen, wird man genauer erkennen können, was an den 'Panama Papers' Marketing eines gefährdeten Berufzweigs und was epochemachende Zerschlagung einer verbrecherischen Finanzpraxis war".

Der Autor ist Andreas Bernard. Er hat Bedenken. Er ist vorsichtig. Er weiß nicht, ob es sich lohnt - epochemachend und verbrecherisch! Geht es darunter nicht? Das wussten Carl Bernstein und Bod Woodward nicht, als sie die Umstände des seltsamen Einbruchs in ein Büro der Demokratischen Partei (im Watergate-Gebäude) verfolgten. Es reicht doch erst einmal, den Ort eines Verstecks angeben zu können - die Ermittlungsbehörden können ja dann herausfinden, was dort von wem versteckt wurde. Das ist nicht Aufgabe der Journalisten. Andreas Bernard erwähnt die Süddeutsche Zeitung einmal; den beiden Kollegen, die die Früchte der papers mit einer Buch-Publikation ernten und sich natürlich mächtig freuen, hält er ihren Triumph vor. Aber das Problem seiner Redaktion, die gewissermaßen zusieht und dem Münchener Konkurrent das Feld und damit Zeitungsexemplare
überlassen muss, benennt er nicht. Was macht er? Er mäkelt und knirscht mit den Zähnen und macht den Kollegen den Vorwurf des muckraking, den er an sich adressieren sollte. Den Münchener Kollegen zu gratulieren, ist wahrscheinlich nicht gestattet: dann müsste man ja zugeben, dass ....

Muckraking war nie ein moralisch sauberes Geschäft. Wie auch? Welches Geschäft ist sauber? Wohl gibt es Abstufungen in der einen oder anderen Richtung. Das muss man von Fall zu Fall prüfen.

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