Freitag, 16. November 2018

Neues von der Heiligen Kuh: Was machen wir nur mit ihr? (78)

Der Aufschrei der Empörung, des Unverständnisses und des Missvergnügens schallt durch unsere Republik: Fahrverbote! Unsere Regierungen geben sich überrascht: dass die Gerichte sich an die Gesetze halten. Sofort versprechen sie (Bund, NRW), die gesetzlichen EU-Bestimmungen zu revidieren auf ein niedriges Niveau, das verhältnismäßig genannt wird. Geht das? Hoffentlich nicht.

Gerhard Schröder war mit seiner Mannschaft der erste europäische Politiker, der sich um die
Stabilitätskeriterien nicht scherte und sich eine Ausnahme genehmigte. Ausnahmen sich einzuräumen ist bundesdeutsche Praxis. Unsere Kanzlerin verspricht laufend und treuherzig die gemeinsame europäische Anstrengung - und handelt demagogisch dagegen mit dem Rechtsgrundsatz der egoistisch im Dienste der Autoindustrie ausgelegten Verhältnismäßigkeit.

Seit 2010 gibt es diese europäischen Bestimmungen - angeregt von den kalifornischen Bestimmungen, die angesichts des damaligen gewaltigen Verkehrssmogs etabliert wurden. Jetzt klagt die Deutsche Umwelthilfe auf deren Einhaltung und bekommt natürlich Recht. Seit wann darf ein Gericht gesetzliche Bestimmungen mißachten? Seit wann ist man überrascht , wenn ein Gericht sich an das Gesetz hält?

Merke: wer sich überrascht gibt, mogelt, betrügt und leistet seinen Beitrag zur Ausbreitung der Korruption.

Knapp zehn Jahre wurde verkehrspolitisch auf Zeit gespielt und gehofft, die korrupte Praxis würde schon durchgehen. Jetzt wird sie nach & nach von den Gerichten gestoppt. Was nun? Wer zahlt den Preis der Korruption? Wer ist verantwortlich für das Durchmogeln? Doch die, die das Durchmogeln ermöglichten und gestatteten, und die, die sich fürs Durchmogeln einlullen ließen. Wir sind an dem Punkt vierzigjähriger verfehlter Verkehrspolitik und vierzigjähriger Zufriedenheit mit unserer verfehlten Verkehrspolitik, die das Vergnügen am PS-Bolzen mit Turbo & Diesel oder ohne Diesel einräumte und die Fantasie My Car is My Castle mitträumte. Wir sind an dem Punkt der Entdeckung der Illusion von der sich selbst regulierenden Macht des Marktes: lässt man den Markt Markt sein, geht etwas aus dem Ruder.

Jetzt kommen die armseligen Propagandisten des Mogelns.  "Zeit für eine Rettungsgasse", konstatiert Holger Appel, der Motor-Mann der F.A.Z., in seinem Kommentar (S.1, 15.11.2018, Nr. 266), der  für die Rettung des Diesel-Motors plädiert. Sein Argument ist korrupt; er schreibt:

"Welches Abgas stört denn nun mehr?. Zu Erinnerung: Der Diesel stößt weniger CO2 aus als der Benzinmotor".

Ja, und? Die Stickoxide schädigen die Atemwege. Ist das nichts? Ja, aber anderswo wird argumentiert, müssten wir viel mehr Stickoxide einatmen. Das stimmt so nicht: an manchen Arbeitsplätzen unter bestimmten Bedingungen können wir mehr Stickoxide einatmen. Wir haben die bekannte Logik vor uns: wenn so Viele das Tempolimit nicht einhalten, brauche ich das auch nicht. Das Stickoxid schädigt uns, das CO2 erwärmt die Temperatur unseres Planeten. Beides schädigt die Lebensbedingungen unserer Umwelt enorm; beides muss dringend reduziert werden. Dazu brauchen wir eine entschlossene Verkehrspolitik, die unsere mobilen Lebensformen radikal  ändert. Das ist enorm kompliziert. Wir müssen es gründlich diskutieren. Verlogenes Haareraufen hilft nicht. Aufschieben hilft nicht.  Wir können nicht mehr warten. Unsere Zeit läuft aus.   

 


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