Donnerstag, 5. März 2020

Schludrigkeit? Journalismus-Lektüre (Beobachtung der Beobachter 99 )

Beim Frühstück eine Zeitung zu lesen, wenn es einem gut schmeckt, bedeutet die Gefahr, zu einem trägen Leser zu werden. Das fiel mir auf, als ich den langen Riemen über den bayrischen Ministerpräsidenten in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (1.3.2020, S. 3) überflog - der Autor ist Timo Frasch, sein Text ist überschrieben:

"Der Kanzlermacher. Markus Söder kann von Bayern aus eine Menge bewirken. Warum sollte er da nach Berlin gehen?"

Ich las:

"Söders Hang zum Effekt verdeckt, dass er extrem fleißig ist. Er liest viel - und nicht nur das, was er von Amts wegen muss".

Klingt gut: er liest viel.
Wieviel liest er ? Was liest er? Was hat er mit wirklichem Interesse gelesen? Und was hat er behalten? Von welcher Lektüre hat er profitiert?

Er liest viel. Klingt gut, sagt aber nichts. Ein Satz des Bluffs und der Schludrigkeit, vermute ich. Lesen ist eine zeitintensive Tätigkeit. Das Investment in einen unbekannten Text - ein Experiment der Neugier. Wilhelm Salber, mein Professor in Köln, ein Schnell- und Vielleser, sagte einmal, er könnte im Jahr höchstens 15 Bücher lesen. Wahrscheinlich dachte er an eine genaue Lektüre (mit Bleistift zum Exzerpieren). Er liest viel. Beinahe hätte ich's geglaubt.

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