Mittwoch, 18. November 2020

Der arme, kleine Donald John T. - oh, wie schön ist es, ihn aus der Entfernung (Frankfurt - Washington) zu necken (Lektüre eines Journalismus - Beobachtung der Beobachter 97)

 Sei nicht so gekränkt, stell dich nicht so an, ist eine unserer beliebten sadistischen Formeln, jemanden, der sich verletzt fühlt, klein zu machen. Jetzt - es ist ein paar Tage her - hat Majid Sattar, der U.S.-Korrespondent der F.A.Z. (16.11.2020, S. 3) Donald John Trump als einen gekränkten Mann bezeichnet. Klar, man konnte ihn nicht für voll nehmen, musste ihn aber für voll nehmen. Das in unserer Öffentlichkeit gehandelte Bild schwankte zwischen Unterschätzung und Überschätzung - sollte man ihn wie einen Schüler zurecht weisen (nur über unsere Werte!) oder ihm die Füße küssen (ich sitze gern neben Ihnen!)? Jetzt macht Majid Sattar sich über ihn lustig. 

Den eindrucksvollsten Text, den ich kenne, über die mörderische Wirkung einer massiven Kränkung hat Heinrich von Kleist verfasst: Michael Kohlhaas. Man muss also, das bringt einem Heinrich von Kleist bei, auf der Hut sein. Das gibt Majid Sattar auch zu verstehen. Gleichzeitig beruhigt er:

"Der Präsident wandert auf schmalem Grat. Er weiß, dass er mit seinem Gerede über Wahlbetrug nicht weit gekommen ist. Erst am Freitag hatte er mehrere Niederlagen vor Gericht kassiert, wo Klagen seiner Anwälte entweder abgewiesen oder zurückgezogen worden waren. Mit den Republikanern im Kongress spielt er Mikado: Wer zuckt zuerst?"

Weiß er, dass er nicht weit gekommen ist? Dass er nur redet? Und spielt er mit den gewählten Vertretern seiner Partei? Sicher, er ist, könnte man salopp sagen, vor den Koffer gelaufen. Aber hindert ihn das am Weiterlaufen? Nein. Der Aufprall war nicht hart genug. Außerdem hat er noch genügend Leute, die ihm die Wunden lecken und anfeuern: Es geht noch! Und ist er in einer Verfassung des Spielens? Schön wär's ja. Das würde bedeuten: er ist zu erreichen. Aber offenbar rast er im Weißen Haus. Hält ihn seine Regierung zurück? Die letzten Beschwichtigungsversuche haben ihn nicht beruhigt. Schwer zu sagen. Man müsste ihn sehen können. The Trump Presidency nearly destroyed the United States, schrieb Jill Lepore für die Ausgabe des The New Yorker am 23.11.2020, vorveröffentlicht am 16.11.2020.  Nearly. Gegenwärtig räumt der U.S.-Präsident seinen Schreibtisch leer. Wir werden sehen.  

(Nachtrag: 19.11.2020. Das Spiel geht weiter titelt Majid Sattar seinen aktuellen Text über die destruktiven, gescheiterten Manöver des U.S.-Präsidenten. Er spielt nicht. Er versucht, mit den rechtsstaatlichen Mitteln eine demokratische Institution gravierend zu diskretieren; der Zerstörungsversuch ist gestattet, aber zynisch und korrupt. Zum Glück gibt es genügend an der Demokratie Interessierte, die einen klaren Kopf behalten. Allerdings allerdings - Max Boot von der Washington Post schreibt am 18.11.2020: Trump is testing democracy. Nine out of 10 Senior elected Republicans are failing).  

 

(Überarbeitung: 20.11.2020) 


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