Freitag, 19. September 2014

Ein Muster bundesdeutscher Regierungskunst

Vor einem Jahr wählten wir unseren Bundestag. Die CSU hatte ihrem Wahlkampf die  Ressentiment-geladene Forderung nach internationaler Gerechtigkeit hinzugefügt: es geht nicht, dass ausländische Fahrer schwerer und nicht so schwerer Fahrzeuge unsere Straßen beschädigen können, ohne dafür aufkommen zu müssen - die so genannte Maut wurde als politischer Fehdehandschuh in das öffentliche Forum geworfen. Was die Schweizer, die Österreicher, die Franzosen und Spanier können - und wer sonst noch - , das können wir auch. Die Idee der Maut war eine Schnapsidee - wo sie geboren wurde, weiß ich allerdings nicht. Manche Schnapsideen werden glücklicherweise vergessen. Diese wurde nicht vergessen; sie diente - meine Lesart - als Pfand in den Koalitionsverhandlungen und wurde deshalb ernst genommen. Deshalb kamen die Politiker der CSU immer wieder darauf zurück. So ließ sich die Koalitionsregierung regelmäßig in Verlegenheit bringen. Die Maut blieb, um einen Filmtitel zu paraphrasieren, eine Frage der Ehre. Wird eine Schnapsidee, das kennen wir alle, lange genug wiederholt, wird sie zur Realität und verliert ihren Schnapscharakter. In der Zeit vom 4.8. bis zum 13./14.9.2014 habe ich 20 Texte in der SZ zur Maut gesammelt, kleine und größere, bis zu einer Leserbrief-Seite; Höhepunkt war die Nachricht von der Bundeskanzlerin, die gesagt hatte: "Um es ganz klar zu sagen: Sie steht im Koalitionsvertrag, und sie wird kommen" (2.9., S.1). Um es ganz klar zu sagen: Koalitionsverträge binden locker. Die Taktik ist durchsichtig: auf Zeit spielen und kein Gegentor kassieren. Die Frage ist: was kostet diese Politik? Von der SZ  allein sind einige Journalisten ganz schön beschäftigt. Wie sieht es in den Ministerien aus? Arbeitszeit wird für eine Schnapsidee vergeudet.  Hoffentlich prüft das der Bundesrechnungshof.

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